piwik no script img

Kultur, dreikäsehoch

■ Die „Kulturspionagebande“ belagerte wieder einmal eine Bremer Institution

„Das ist ja pervers, wie die dargestellt ist!“ mokiert sich einer über eine Tonfigur, die eine Künstlerin gerade modelliert. „Und was machen Sie, wenn der Ton alle ist?“ – „Und was passiert, wenn die Figur umfällt?“ Ein knappes Dutzend Kinder zwischen acht und 13 umringt die Künstlerin in einem der 25 Ateliers des Künstlerhauses und löchert sie mit Fragen. Das passiert immer, wenn die „Kulturspionagebande“ zuschlägt. Und ihr mittlerweile 20. Opfer ist Horst Griese und sein Künstlerhaus. Neugierig und kein bißchen scheu stürmen die kulturinteressierten Kids in die Ateliers.

Horst Griese hatte dem Überfall der Kulturspione gleichwohl mit Gelassenheit und einer noch schnell beschafften Packung Kekse entgegengesehen, denn: „Die Künstler sind sensibel, in die Ateliers kann man nicht einfach unangemeldet eindringen.“

Keine langen Gesichter bei den Kids, obwohl der Überfall genehmigt war. „Anfangs haben die Kids gar nicht mitbekommen, daß wir uns bei den jeweiligen Überfällen vorher angemeldet haben. Sie wundern sich immer, daß sie richtig mit den Künstlern reden können“, sagt Bandenchef Ingo Ahmels, der zusammen mit Hilla Wigand vom Bürgerhaus Weserterrassen die Kulturspione ins Leben gerufen hat. Gußeiserne Zahnräder sind zu betätigen und Ätzplatten zu bewundern: Drucktechnik zum Anfassen. Mittleres Gelächter, als die Kids erfahren, wie man die wertvollen steinernen Druckplatten klebt, falls sie in die Brüche gehen: am besten mit Käse. „Kann ich das Bild haben?“ Klaus Zwick, Leiter der Druckwerkstatt, reicht die frische Lithographie mit den Elefanten drauf weiter.

Ist es nicht ungewöhnlich, daß Kids sich für die hohe Kultur begeistern? „Gar nicht. Wenn man ihnen etwas anbietet, kommen sie auch freiwillig“, sagt Ahmels. An dem Mann ist ein Lehrer verlorengegangen. Ganz ohne pädagogische Konzepte – dafür aber mit viel pädagogischem Gespür – will er die Kids an Kultur heranführen. Mit knappen Kommentaren hilft er ihnen, Zusammenhänge herzustellen, ermuntert sie zum Fragenstellen.

In der Metallwerkstatt stehen die Schweißbrenner still, keiner arbeitet an der Werkbank. Die Künstler haben wenig Lust, auf die Fragen der vorwitzigen Dreikäsehochs einzugehen. Dito bei den Designern: Den Computer anzuwerfen, dauert zu lange, heißt es. Eingetrübte Gesichter. Macht nichts. Horst Griese lädt erstmal zur Pause auf die Terrasse des Restaurants im Künstlerhaus. Die Kids ordern gesunde Säfte, keine Cola.

Am großen Tisch plaudert Horst Griese aus dem Nähkästchen, damit die Kulturspione einen Zugang bekommen zu dem, was in den Ateliers des Künstlerhauses eigentlich passiert. „Die Künstler verdienen ihr Geld nicht so, wie Eure Eltern.“ – „Mein Vater ist auch Künstler!“, behauptet gleich einer aus der Runde und dementiert dann grinsend. Fünf Jahre dürfen die ausgewählten Künstler in den Ateliers arbeiten. Die Chance, einen Platz zu bekommen, ist gering. Aber das interessiert die Kulturspione eigentlich nicht so sehr...

Um so mehr dagegen die schalldichten Räumlichkeiten des Tonstudios, wo Mischpulte und ein Monitor zu bewundern sind. Obwohl mitten aus der Arbeit gerissen, zeigt der Toningenieur gleich mal, was im Tonstudio so alles möglich ist. Und schickt die eine Hälfte der Kids vor die schalldichte Studiotür zum Plärren. Durch die Glastür sieht man eine Handvoll gröhlende Münder und hört fast nichts. Experiment gelungen. „Können Sie auch Musik spielen und dabei sprechen, wie im Radio?“ Kein Problem. Ehrfürchtiges Aufblicken zum Toningenieur. „Das war das beste von allem“, sagt einer mit Nachdruck, andere stimmen zu. „Das nächste Mal wollen wir zum Fernsehen!“ Hille Wigand nimmt auf der Rückfahrt schon mal Bestellungen entgegen...

Alexander Musik

weitere „Überfälle“ der Kulturspionagebande: 6.6., 20.6., 4.7. Kontakt: Ingo Ahmels T. 50 04 44, Hille Wigand T. 44 72 38

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen