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Christo besteht auf freier Sicht am Reichstag

■ Streit um „Stern“-Pavillon in Christos Bannmeile um den Reichstag nicht beigelegt / Verpackungskünstler hat Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht

Verpackungskünstler Christo bleibt bei seiner Ankündigung: Wegen Verstoßes gegen sein Bannmeilengesetz droht er nun sogar damit, den Reichstag nackt und unverpackt zu lassen. Heute oder am kommenden Montag wird das Verwaltungsgericht über eine einstweilige Anordnung von Christos Firma „Verhüllte Reichstag GmbH“ gegen den Stern entscheiden.

Im Auftrag des Hamburger Magazins werden derzeit zwischen Reichstag und Brandenburger Tor nahe dem Pariser Platz die Fundamente für einen zwölf Meter hohen Pavillon gegossen. Dort will die Illustrierte vom 10. Juni bis 31. Juli mit großen Panoramabildern das fiktive Aussehen von vier großen Berliner Plätzen im Jahre 2005 demonstrieren.

Christo und seine Frau Jeanne- Claude aber fühlen sich durch die Rotunde in ihrem ästhetischen Empfinden gestört. Empört verwies das am Mittwoch in die USA abgerauschte Künstlerehepaar auf die Vereinbarung mit der Senatskanzlei und dem Bezirk Mitte, wonach während der Reichstagsverhüllung vom 17. Juni bis 7. Juli eine Bannmeile einzuhalten sei. Die Einpacke sei nun „wirklich gefährdet“, verkündete Christos Sprecher Wolfgang Volz.

Dem Stern ist die Sache offenbar etwas peinlich. „Das letzte, was wir wollen, ist, mit unserer Aktion eine andere Aktion zu verdrängen“, beteuerte Stern-Verlagsleiter Michael Beckel. Sein Verlag habe alle Genehmigungen für das Projekt eingeholt. Eine Verschiebung der Ausstellung sei aber nicht mehr möglich, da der entsprechende Stern-Sonderteil mit den Abbildungen bereits gedruckt sei. Sein Kompromißangebot, die Rotunde so niedrig zu bauen, daß sie möglichst wenig störe, habe Christo nicht angenommen.

Ergebnislos verlief am Mittwoch ein Treffen zwischen Mitarbeitern der Verhüllungsgesellschaft, dem Stern-Verlagsleiter sowie Senats- und Bezirksvertretern. Der Bürgermeister von Mitte fühlt sich unschuldig. Gerhard Keil (SPD) schwor Stein und Bein, man habe in Christos Bannmeile keine anderen Aktivitäten auf öffentlichem Straßenland zugelassen. Der Stern-Pavillon aber stehe auf einem Privatgelände; die Baugenehmigung für die Rotunde sei deshalb nicht zu verhindern gewesen.

Hintergrund des Streits ist der Monopolvertrag, den sich der aus Bulgarien stammende Künstler für die Vermarktung seiner Aktion ausbedungen hat. Schließlich erhalte er keinen Pfennig Zuschuß aus öffentlichen Mitteln und sei darauf angewiesen, die Verhüllung aus eigenen Einnahmen zu finanzieren, argumentiert Christo. Dies setze die exklusive Nutzung der Bannmeile durch sein Unternehmen voraus.

Frustriert dürfte nun auch Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) sein, wittert er in der Reichstagsverhüllung doch das große Geschäft. Am vergangenen Mittwoch appellierte er an die Einzelhändler, das Angebot zu längeren Öffnungszeiten während der Verpackungsaktion zu nutzen. An solchen Tagen dürfe man „die Bürgersteige an Kurfürstendamm und Alexanderplatz nicht hochklappen“. Ute Scheub

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