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Maske – Rocchigiani auf Großleinwand: Das Erlebnis

■ Das Eiszeit-Kino beginnt heute seine Box-Film-Reihe

Die Legende von George Foreman gründet sich ironischerweise auf einen Boxkampf, den er verloren hat. 1967 wurde Muhammad Ali der Weltmeistertitel aberkannt, weil er die Einberufung nach Vietnam verweigerte. Sieben Jahre später durchbrach Ali das eherne „They never come back“ der Schwergewichtler und holte sich in Zaire eben gegen diesen Foreman den Titel zurück.

Dieser K.o. in der achten Runde jenes Kampfes, der als „Rumble in the Jungle“ in die Boxgeschichte einging, beherrschte fortan Foremans Leben. Die Schmach, daß ihm damals nur die Statistenrolle geblieben war, ließ ihm keine Ruhe. Er versuchte es noch einmal und wurde im vergangenen Jahr mit 46 ältester Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten.

Das Eiszeit-Kino eröffnet seine Reihe heute abend um 22.30 Uhr mit „Ich bin der Größte“, einem wundervoll trashigen B-Picture von 1976, in dem Alis Lebensgeschichte als Handlungsfaden herhalten muß. In der Hauptrolle: Muhammad Ali als Muhammad Ali. Ab 22.30 Uhr wird der WM- Kampf zwischen Henry Maske und Graciano Rocchigiani live auf Großbildleinwand übertragen, ein Kampf, der ohne den – auch von Opa Foreman ausgelösten – Box- Boom wahrscheinlich nicht zustande gekommen wäre.

Zu hoffen bleibt, daß sich nicht wieder die schon klassische Bemerkung des Berliner Lokalmatadoren „Rocky“ Rocchigiani bewahrheitet. Nach einem Fight hatte er, angesprochen darauf, daß sein Gegner wesentlich besser trainiert wirkte, entgegnet: „Gegen 'nen Schwarzen siehste immer blaß aus.“ Die Fäustelkünste der deutschen Vorzeigeboxer nehmen sich gegen die Eleganz eines Ali wahrlich bescheiden aus.

Den Unterschied überdeutlich macht dann anschließend „Infight“, ein Film über Amateurboxer. Romuald Karmakar spürte in Gesprächen mit deutschen Nationalstaffelmitgliedern wie Andreas Otto, Jan Quast oder Marco Rudolph vor allem dem ernüchternden Alltag der Amateurboxer nach. Auch hier ist der Mythos Ali immer präsent, aber für diese Jungs geht es vor allem um die Verbesserung ihrer Technik, um das Abkochen vor dem nächsten Kampf („Du träumst, die Broiler fliegen rum“), die Angst vor den Schlägen, die Angst vor dem Verlieren.

Karmakar gelingen ungewohnt respektvolle Bilder, wenn seine Helden den Ring verlassen. Die Schweigsamkeit nach der Niederlage und der daherplappernde Triumph ähneln sich in ihrer Sprachlosigkeit.

Am Sonntag läuft der japanische Film „Knockout“, der seine Geschichte so weit treibt, daß der unsympathische Protagonist nach einer knapp überstandenen Gehirnverletzung unbedingt wieder in den Ring steigen will, um sich dort selbstmörderisch zugrunde richten zu lassen. Leider findet er aber keine Bilder, die die Faszination am Boxen deutlich machen.

Was Menschen dazu bringt, mitten in der Nacht aufzustehen, um zwei Leuten dabei zuzusehen, wie sie sich die Rübe einschlagen, versteht man nach der Dokumentation „The Greatest“.

William Klein hat die Geschichte von Cassius Clay alias Muhammad Ali bis zu seinem Comeback-Kampf gegen Foreman in Kinshasa aufgearbeitet, eine Karriere mit allen möglichen Querverbindungen dokumentiert, ob nun zur Mafia oder zu Malcolm X. Zehn Jahre hat Klein den „Größten“ mit der Kamera begleitet. So erscheint das Profiboxen in allen seinen Facetten als das, was es ist: Die Sportart, die am exemplarischsten die moderne kapitalistische Gesellschaft reflektiert. Thomas Winkler

„Ich bin der Größte“ (USA 1976, R: Tom Gries), heute 22.30 Uhr. Zur selben Zeit der Kampf Maske – Rocchigiani, anschließend „Infight“.

„Knockout“ (Japan 1989), Sonntag, 23.45 Uhr„The Greatest“ (Frankreich 1974, R: William Klein), Montag, 23.45

„Infight“ (D 1994)/ Karmakar im Gespräch mit Alexander Kluge/ Wochenschaubericht vom Kampf Mildenberger – Bonavena 1957, Di und Mi, 23.45, alles im Eiszeit, Zeughofstraße, Kreuzberg

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