: „Die PDS auf das äußerste bekämpfen“
■ Interview mit dem Ministerpräsidenten von Thüringen, Bernhard Vogel (CDU), zur Lage der Großen Koalition und zum Umgang mit der PDS, der einzigen Oppositionspartei
taz: Sie sind seit dem November 1994 Ministerpräsident einer Großen Koalition, die sie eigentlich nie gewollt haben ...
Bernhard Vogel: Beide Parteien – CDU und SPD – haben diese Große Koalition nicht gewollt. Aus gutem Grund. Eine Große Koalition hat eine schwache Opposition zur Folge. Die Wähler haben uns aber den Auftrag gegeben, diese Große Koalition zu installieren. Gut daran ist, daß das Land dadurch eine von einer sehr breiten Mehrheit getragene, handlungsfähige Regierung hat. Eine Minderheitsregierung kann sich vielleicht ein Land in einer Normallage leisten; für ein Land im Aufbau halte ich das für schädlich. Die Zusammenarbeit funktioniert, in einem vernünftigen, sachlichen, unaufgeregten Klima. Aber ich bedauere, daß wir nur die PDS als Oppositionspartei im Landtag haben.
Wie sehen die programmatischen Ziele der Regierung Vogel aus? Was wollen Sie an großen Vorhaben in dieser Legislaturperiode noch umsetzen?
Das große Ziel ist klar und knapp zu umschreiben: Wir müssen ein Bundesland mit eigenem Profil, aber mit Lebensbedingungen werden, die denen anderer Bundesländer vergleichbar sind. In dieser Legislaturperiode entscheidet es sich, ob wir dieses Ziel erreichen – oder nicht. Ob wir mittelfristig ein Geberland werden oder auf Dauer ein Nehmerland bleiben unter den Bundesländern. In der ersten Legislaturperiode (1990-94) ist der Rohbau des Landes Thüringen entstanden. Und am Ende dieser zweiten Legislaturperiode sollte der Ausbau zum Abschluß kommen. Da kommt eine Fülle von Aufgaben auf uns zu: von der Realisierung der Universität Erfurt bis zu Umweltaufgaben. Aber ganz entscheidend sind zwei Aufgaben im wirtschaftlichen Bereich: die Re-Industrialisierung und der Ausbau der Infrastruktur. Während sich beim Mittelstand und beim Handwerk die Dinge sehr gut entwickeln, haben wir erst 80 industrielle Arbeitsplätze auf 1.000 Einwohner vorzuweisen. Der Schnitt in der Bundesrepublik liegt bei 120. Und zur Infrastruktur: Thüringen liegt in der Mitte Deutschlands, ist aber kaum erreichbar. Das liegt an fehlenden Straßen, Eisenbahnlinien, Stromtrassen und anderen fehlenden Infrastrukturmaßnahmen. Das Ministerpräsidentenamt in Thüringen unterscheidet sich deshalb vom Ministerpräsidentenamt in Rheinland-Pfalz (noch) eklatant.
Sie bedauern, daß die PDS die einzige Oppositionspartei im Landtag ist. Wird aber nicht die PDS durch die Große Koalition unverhältnismäßig aufgewertet?
Aufgrund der Wählerentscheidung kam nur die Bildung der Großen Koalition in Frage. Daß die PDS einzige Oppositionspartei ist, mußte in Kauf genommen werden; nicht gerne, aber es gab keine Alternative. Schädlicher für dieses Land wäre ein Schlingerkurs bei den Entscheidungen gewesen. Wenn ich mir – mit einer CDU- Minderheitsregierung – für jedes Vorhaben erst die Mehrheiten zusammensuchen müßte, würde das zumindest bedeuten, daß wichtige Entscheidungen sehr viel langsamer fielen. Im übrigen glaube ich, daß sich die PDS aus ganz unterschiedlichen Quellen speist: Eine Quelle sind die Bürgerinnen und Bürger, die bisher am Aufschwung nicht partizipierten, weil wir noch nicht alle Menschen erreicht haben. Mein Ziel ist es, bis zu den nächsten Wahlen einen wesentlichen Teil der Wählerschaft der PDS für die demokratischen Parteien zurückzugewinnen. Das werden die Menschen sein, die sehen werden, daß der Umbau gelingt, und daß das Ziel, aus diesem Land ein normales deutsches Bundesland zu machen, erreichbar ist.
Wie gehen Sie in der normalen politischen Alltagsarbeit mit der PDS um? In der letzten Legislaturperiode haben ihre Parteifreunde im Landtag den Plenarsaal verlassen, wenn ein Abgeordneter der PDS redete.
Meine Strategie und die meiner Partei ist es immer gewesen, die PDS auf das äußerste zu bekämpfen, weil sie die Nachfolgepartei der SED ist und weil ihre Zukunftsziele mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Als Landtagsfraktion aber besteht die PDS aus vom Bürger gewählten Abgeordneten. Das muß ich akzeptieren. Alle parlamentarischen Rechte und Pflichten gelten auch für die PDS. Ich muß respektieren, daß es einen Vizepräsidenten aus den Reihen der PDS gibt, daß die PDS in den Ausschüssen vertreten ist. Und ich muß der Opposition zuhören und ihr antworten. Ignorieren, übersehen, ein Nicht-ernst- nehmen – das halte ich für falsch.
Sie wollen die PDS auf das äußerste bekämpfen. Wo holt man sich denn als gestandener Demokrat dann das oppositionelle Korrektiv her?
In dem man zum Beispiel die Presse liest, die hier in Thüringen gleichfalls eine nicht ganz einfache Aufgabe hat. Ich glaube nicht, daß der Querschnitt der Presse hier PDS-freundlich ist. Interview:
Klaus-Peter Klingelschmitt
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