Zwischenbilanz des EU-Adminstrators
: „Wir wollten Nachbarn nicht an die Gurgel“

■ Was Hans Koschnick in Mostar an Bremen 1945 erinnert – und was nicht

Hans Koschnick ist sicher das Gegenteil eines Militaristen. Doch gestern fuhr der ehemalige Bremer Bürgermeister schweres Geschütz auf. Seine Zielscheibe: der UN-Sicherheitsrat. Schon als bosnische Serben zum ersten Mal schweres Gerät der Blauhelme entwendeten, „da hätte man die 20-Kilometer-Zone um Sarajewo bombardieren müssen“, sagte Koschnick bei einer Zwischenbilanz seiner Arbeit als EU-Administrator von Mostar vor der Bremer Landespressekonferenz. „Wenn der UN-Sicherheitsrat fünf Mal Konsequenzen androht und doch nichts tut, dann glaubt doch kein Partner mehr solchen Ankündigungen.“ Auch das einstimmig von der UN beschlossene Waffenembargo gegen Serbien, Kroatien und Bosnien sei nur „Heuchelei“, solange die armen Nachbarstaaten Restjugoslawiens für die Einhaltung des Embargos nicht finanziell entschädigt würden.

Trotz seiner Wut auf die Untätigkeit der UN sieht Koschnick noch immer eine Möglichkeit, den Konflikt einzudämmen: „Wir dürfen dafür aber keine Waffen liefern, wir müssen die Wirtschaft aufbauen.“ Die Blauhelm-Truppen sollten keinen Krieg führen, wohl aber diesen Prozeß absichern. Würden sie jetzt abgezogen, wäre „eine große Katastrophe“ gewiß.

Die eigene Aufbauarbeit in Mostar sieht Koschnick als Schritt auf dem richtigen Weg. Seit dem Beginn seiner Tätigkeit in der entmilitarisierten EU-Zone im Juli vergangenen Jahres sei in weiten Teilen der Stadt die Grundversorgung mit Wasser, Strom und Telefon wieder hergestellt worden. Vor sechs Wochen konnten die letzten Minen aus den Wasserrohren entfernt werden.

Obwohl die Front nur fünf Kilometer von Mostar entfernt verläuft und die Stadt erst in der letzten Woche unter serbischem Granatenbeschuß lag, glaubt Koschnick, die Aufbauarbeit stetig fortsetzen zu können: „Keine der Kriegsparteien hat ein Interesse daran, sich mit der EU anzulegen, von der sie später einmal unterstützt werden wollen.“ Auch was seine eigene Sicherheit angeht, setzt Koschnick auf diese Logik.

Immer wieder erinnere ihn die Situation in Mostar an das Nachkriegs-Bremen: „Daß der Wiederaufbau hier 20 Jahre gedauert hat, hört man in Mostar allerdings nicht so gerne.“ Und dann sei da allerdings auch ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Nachkriegs-Bremen und dem heutigen Mostar: „Als wir damals aus den Bunkern kamen, da hatten wir keine Waffen mehr und wollten auch nicht unserem Nachbarn an die Gurgel.“ Die „Angst vor Revanche“ sei noch immer „unheimlich groß“. Schließlich seien es allzuoft Nachbarn, Arbeitskollegen oder sogar Mitglieder der eigenen Familien gewesen, die in den Kriegsjahren vertrieben und getötet haben.

Umso wichtiger sei, daß Europa sich auch nach dem Ende des Administrations-Mandats im Juli 1996 nicht zurückziehe. „Solange Du da bist“, werde ihm immer wieder gesagt, „werden wir nicht mehr aufeinander schießen“, berichtete Koschnick gestern. Persönlich werde er über Juli 1996 hinaus aber nicht mehr ständig in Mostar sein. Und das auch aus einem ganz privaten Grund: „Christine wird nächstes Jahr 70, da muß ich mal den Ehemann spielen.“ Ase