„Die Samariter sind ausgestorben“

■ Morgen startet in Bremen der erste privatärztliche Notdienst / Er wittert Marktlücke

Wer nachts, am Wochenende oder feiertags krank wird, versucht meist vergeblich, den Hausarzt zu erreichen. Nicht wenige begeben sich dann zum Krankenhaus, obgleich das nur für schwere Notfälle zuständig ist. Der richtige Weg besteht in einem Anruf (Tel. 19292) beim Ärztlichen Notfalldienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der die gesetzlich vorgeschriebene ärztliche Versorgung rund um die Uhr garantiert. Je nach Bedarfslage schickt er einen Krankenwagen oder bittet die PatientInnen in die Behandlungsräume des Notdienstes.

Unter einer ähnlichen Nummer (Tel. 19246) ist der privatärztliche Notdienst zu erreichen, der am Donnerstag in Bremen seinen Dienst aufnimmt. Er gehört einer Hamburger GmbH an, die hinter der Notversorgung Gewinn wittert: „Natürlich erhoffen wir uns damit ein Geschäft. Die Samariter sind längst ausgestorben“, erklärt Geschäftsführer Wulf Kuhlkamp unumwunden. Seine „Ärztliche Notfalldienst-Vermittlungs-GmbH“ ist bereits in Hamburg, Berlin und München aktiv und versucht, in allen größeren Städten Fuß zu fassen.

Das Argument, mit dem auf dem Markt geworben wird, heißt Schnelligkeit. Spätestens eine halbe Stunde nach Anruf treffe ein Arzt ein, lautet das Versprechen der Privaten, beim KV-Dienst müsse man dagegen lange warten. Die schnelle Versorgung hat ihren Preis: 200 bis 250 Mark pro Behandlung plus Kilometergeld muß zahlen, wer den Notdienst in Anspruch nimmt. Die Krankenkassen zahlen, wenn überhaupt, nur einen geringen Teil zurück. Wieviel, räumt Kuhlkamp ein, sei Verhandlungssache und für Bremen noch nicht geklärt.

Dem Bremer privatärztlichen Notdienst gehören zehn ÄrztInnen an, die in Rufbereitschaft sind, um nach dem Alarm in ihren Autos loszupreschen. „Die brauchen doch genauso lange wie wir“, wendet Jürgen Grote, Vorsitzender der KV Bremen gegen die „flying doctors“ ein. „Wenn Werder spielt, stehen die auch im Stau.“ Er hält nichts von dem Angebot der PrivatärztInnen, das er akribisch seziert: Niemals, versichert er, könnten die Privaten so eine qualitativ gute Betreuung vorhalten wie die KV. Sowohl die drei Krankenwagen wie die jüngst bezogenen Behandlungsräume in der Richard-Wachmann-Straße 1a seien nach neuesten Standards ausgerüstet, so daß technisch aufwendige Behandlungen, kleinere Operationen und gynäkologische Untersuchungen möglich seien. Eine ganze Etage steht allein dem kinderärztlichen Notdienst zur Verfügung, der etwa 50 Kinder pro Nacht versorgt. Selbst AugenärztInnen werden vom Notdienst der KV vermittelt.

Das Team des privaten Notdienstes verfügt nach Aussagen von Kuhlkamp lediglich über InternistInnen und AllgemeinmedizinerInnen. Ihre Ausrüstung ist auf das beschränkt, was ÄrztInnen in ihrem Privatwagen so mitnehmen. Grote folgert: „Das ist nur Geschäft. Das hat mit Medizin nichts zu tun.“ Im übrigen sei zu fragen, wer sich den privaten Dienst leisten könne. „Doch nur die, die Geld haben. Sowas unterstützt in unakzeptabeler Weise das Zweiklassen-System im Gesundheitswesen“, schimpft der KV-Vorsitzende.

Halbstündige Wartezeiten, versichert er, würden auch beim KV-Notdienst nur selten überschritten, seien aber angesichts von etwa 60 Behandlungen pro Nacht unvermeidbar. Lange Anfahrtszeiten könnten verhindert werden, wenn sein Notdienst wie früher mit Blaulicht fahren dürfe. Dies aber forderte die KV ebenso vergeblich vom Gesundheitsressort, wie eine Linksabbiegerspur für die Krankenwagen an der Schwachhauser Heerstraße. Als Skandal bezeichnte Grote, daß die Notarztwagen umständliche Wendemanöver auf der Horner Allee durchführen müssen, um die Behandlungsräume zu erreichen.„Wir brauchen Blaulicht und die Abbiegespur, aber kein Privatunternehmen.“ dah