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6 Monate Abschiebeknast

■ Die Odyssee eines jungen Palästinensers aus Jordanien durch die deutsche Justiz

Einen „Minutenerfolg“ nennt Rechtsanwalt Hans A. Israel, daß sein Mandant, ein 26jähriger Palästinenser aus Jordanien, einem gestern gefaßten Beschluß des Ausländeramtes zufolge nach einem halben Jahr Abschiebehaft endlich das Gefängnis in der Ostertorwache verlassen darf.

Sechs Monate saß Hussam hinter Gittern, obwohl er nichts verbrochen hat. Immer wieder hatte sein Anwalt versucht, ihn freizukriegen, denn eine so lange Abschiebehaft widerspricht zwar nicht den Gesetzen, wohl aber dem geforderten Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Doch die hiesigen Behörden wollten den Mann erst nach Eintreffen der Paßdokumente aus Jordanien freilassen. Die Behörden in Amman aber ließen sich Zeit. Mal gingen die Papiere verloren, lautete die Bortschaft aus Jordanien, mal verzögere die Umstellung auf Computer den Vorgang. Immer wieder wurden die deutschen Behörden vertröstet, die ihrerseits nichts besseres zu tun hatten, als Hussams Haft immer wieder zu verlängern. Erst gestern gelang es seinem Anwalt, die Freiheit zu erwirken.

Diese allerdings kann von kurzer Dauer sein. Denn über die Frage, ob Hussam in Deutschland bleiben darf, ist damit noch nicht entschieden. Sobald die Papiere eintreffen, kann seine Abschiebung erfolgen. Für Hussam ist das nicht nachvollziehbar, lebt doch sein Bruder als anerkannter Asylbewerber in Deutschland. Auch der Schwester, die 1990 zeitgleich mit Hussam nach Deutschland geflohen war, wurde vor kurzem das Asyl durch das Bundesamt anerkannt. Sie hatte dieselben Fluchtgründe angegeben wie Hussam: Beide waren in Jordanien verfolgt worden, weil sie vom moslemischen zum christlichen Glauben konvertiert waren.

Doch anders als die Schwester hatte Hussam einer zunächst erfolgten Ablehnung des Asylantrages nicht widersprochen. Der Entscheid hatte ihn nicht erreicht, er erhob keinen Einspruch. Somit war das Urteil rechtskräftig. Hussam wurde im Januar 1994 abgeschoben. In Jordanien war er wieder der Verfolgung ausgesetzt, bei der, berichtet ein Mitglied der Asylgruppe Ostertor, Hussam nachweislich mehrfach verletzt wurde. Im Oktober 94 flüchtete er erneut nach Deutschland. Nur neun Tage nach seiner Einreise erwischte man ihn bei einer Paßkontrolle in Hamburg, wo man ihn sofort in Abschiebehaft nahm. Aus Platzgründen, so die offizielle Version, verlegte man ihn drei Monate später in die Ostertorwache nach Bremen.

Obwohl das Bundesamt erst vor kurzem dem Asylersuchen der Schwester mit der Begründung stattgab, die Situation in Jordanien habe sich so zum Schlechten verändert, daß man von Abschiebung absehen müsse, wurde Hussams Asylfolgeantrag abgelehnt. Auch das Bremer Verwaltungsgericht sah es als erwiesen an, daß Hussam in Jordanien leben könne. Schließlich habe er ein halbes Jahr unbeschadet überstanden. Der Anwalt will jetzt entsprechende Rechtsmittel gegen diesen Bescheid einlegen. dah

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