: Kohl nimmt Rücksicht auf Vertriebene
■ Vollmer: „Linkes Tabuthema“
Bonn (taz) – Wenige Tage vor dem Pfingsttreffen der Sudetendeutschen hat die Opposition der Politik der Bundesregierung gegenüber Tschechien ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Der SPD-Abgeordnete Peter Glotz warf der Koalition vor, sie habe die Beziehungen zu Prag „verschlampen“ lassen. Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, auf Prager Versöhnungssignale habe die Regierung in den vergangenen Jahren nicht reagiert.
In allgemeiner Form hatte Bundeskanzler Helmut Kohl zuvor in einer Regierungserklärung Verständigungsbereitschaft mit Prag bekundet. Explizit vertrat Kohl keine sudetendeutschen Forderungen und sparte die zwischen der Landsmannschaft und den Befürwortern einer deutsch-tschechischen Aussöhnung strittigen Punkte weitgehend aus. Zur wichtigen Frage der Entschädigung für 17.000 tschechische NS-Opfer äußerte er sich überhaupt nicht. Indirekt forderte er die Prager Regierung auf, Forderungen nach einer Verurteilung des Vertreibungsunrechts nachzukommen. Antje Vollmer, die auf dem Pfingsttreffen hatte sprechen wollen und nicht eingeladen worden war, erinnerte die Sudetendeutschen mit Hinweis auf die gegenwärtig günstigen Bedingungen für eine Aussöhnung an ihre Verantwortung. Sie forderte, auf „unrealistische“ Ansprüche zu verzichten.
Die Abgeordnete nannte die Frage der Vertreibung ein „Tabuthema“ der politischen Linken. „Das Wegsehen war auch mitleidlos und es war auch noch nicht einmal politisch besonders klug.“
Als Anwalt sudetendeutscher Forderungen trat Edmund Stoiber (CSU) auf. Der Ministerpräsident des Freistaats, in dem die Vertriebenen als „vierter Stamm der Bayern“ gelten, verlangte von Prag eine Überprüfung der Vertreibungs- und Enteignungsdekrete sowie die Aufhebung von Amnestiegesetzen. Auch über Heimatrecht und Staatsangehörigkeit der Sudetendeutschen müsse gesprochen werden. Hans Monath Kommentar Seite 10
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen