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Bonn will mehr Einsatz in Bosnien

■ Rühe: Konsens über Bundeswehreinsatz zur Unterstützung einer UN-Umgruppierung

Bonn (rtr/AP) – Die Bundesregierung hat ihre Bosnienpolitik verändert und ist jetzt grundsätzlich zu einem Bundeswehreinsatz auch bei einer Umgruppierung der UN-Truppen bereit. Das erklärten Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) gestern in Bonn nach einem Gespräch mit den Vorsitzenden der Fraktionen des Bundestages. Die Regierung ging damit über ihr früheres Angebot einer Unterstützung lediglich für den Fall eines UNO- Abzuges hinaus. Die Liste der angebotenen Hilfe reicht von Sanitätern und Schiffen bis zu Transportflugzeugen und Tornados. Insgesamt handelt es sich um die Entsendung von knapp 2.000 Soldaten.

Rühe begründete die Veränderung so: Wenn Deutschland einen Abzug der UNO aus Bosnien für falsch halte, sei es nur logisch, daß es für ihren Verbleib Hilfe anbiete. Dafür gebe es Unterstützung in den Koalitionsfraktionen. Noch am vergangenen Sonntag hatte Rühe in einem Interview gesagt: „Wir werden nicht verwickelt werden in die jetzigen Prozesse in Jugoslawien.“ Wie Teilnehmer des gestrigen Gesprächs berichteten, legte Rühe dar, daß eine Umgruppierung der UN-Truppen die wahrscheinlichste militärische Option sei. Deutschland müsse mit einer Nato-Anfrage rechnen, ob es dabei helfen könne. Nach Informationen aus Regierungskreisen will die Bundesregierung die Zustimmung des Parlaments dazu erst unmittelbar vor einem Marschbefehl einholen.

Welche Unterstützung die Nato für neue Planungen überhaupt wünscht, ist bislang allerdings unklar. Und so sahen die Oppositionsparteien auch keinen Grund, sich definitiv zu äußern. SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen sagte, es gebe keinen Entscheidungsbedarf. Offenbar wisse weder die Bundesregierung noch wüßten die anderen beteiligten Regierungen, wie es weitergehen solle. Eine Umgruppierung sei nicht beschlossen. „Es gibt keine grundsätzliche Haltung zu etwas, was es nicht gibt“, sagte Verheugen. Der Fraktionschef der Bündnisgrünen im Bundestag, Joschka Fischer, sagte, die Vorstellungen der Regierung seien völlig unkonkret. Von einem Konsens der Fraktionschefs wollte er nichts wissen. Aber in einem Punkt stimme er mit der Regierung überein: Vor einer Festlegung gegenüber der Nato auf einen Einsatz soll die Entscheidung des Bundestages herbeigeführt werden.

Frankreich hat derweil die Aufstellung einer 4.000 Mann starken schnellen Eingreiftruppe für Bosnien vorgeschlagen. Verteidigungsminister Charles Millon sagte, die Truppe solle Hilfskorridore öffnen und den Betrieb des Flughafens von Sarajevo gewährleisten. Außenminister Hervé de Charette sagte, die UN-Soldaten müßten „militärisch in die Lage“ versetzt werden, ihre Aufgabe wirksam zu erfüllen. Am kommenden Samstag werden die europäischen Verteidigungsminister und führende Militärs der Staaten, die Soldaten für die UN-Schutztruppe in Bosnien stellen, in Paris über ihr weiteres Vorgehen beraten. Auch Rühe ist eingeladen.

Großbritannien hat gestern in der zentralbosnischen Stadt Vitez seine ersten 700 kampffähigen UNO-Soldaten zusammengezogen. In den nächsten Tagen werden weitere 1.200 britische Soldaten in Bosnien erwartet. Es ist die erste UN-Einheit auf dem Balkan, die zu einem längeren Gefecht in der Lage ist. Der kommandierende Oberstleutnant, Jeff Cook, sagte, die Truppe könne zum Beispiel UN-Einheiten zur Hilfe kommen, falls diese in Sarajevo oder einer der ostbosnischen Enklaven in Schwierigkeiten gerieten. In Goražde gingen gestern heftige Kämpfe weiter, vor denen auch UN-Soldaten Schutz suchen mußten. Tagesthema Seite 3

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