Schutz für jeden Grashalm

Liepelt will Griller in Parkanlagen mit Bußgeld vertreiben / Bündnis 90/Die Grünen gegen umweltschützende Maßnahme: Ökologisch Kurzsichtig  ■ Von Nina Kaden

Raubbau am Tiergarten durch Wochenendgriller? Ja, meint Reiner Schicks von der Arbeitsgemeinschaft Tiergarten. Berlins größter Park sei übernutzt: Vierzig Prozent aller Bäume seien geschädigt und von ehemals 48 Tierarten lebten jetzt noch 34 hier. 10.000 bis 15.000 Wochendbesucher seien einfach zu laut, so daß seltene Tierarten keine Ruheflächen hätten. Mäusebussarde, Nachtigallen, Mauerschwalben und der Pirol, ein Singvogel, von dem schon keiner mehr wisse, wie er aussehe, lebten hier, sagt Schicks.

Im Tiergarten leiden die Pflanzen darunter, daß Sommerbesucher glühende Holzkohle liegen lassen, die dann ihre Wurzeln zerstört. Menschen hängen ihre Tüten an die unteren dünnen Äste der Bäume. Weil diese dann abbrechen, haben die Bäume nur noch eine Baumkrone. „Nicht nur das Grillen ist schädlich“, sagt Schicks, „es sind die vielen Menschen.“ Wahrscheinlich seien die Schäden im Tiergarten vor allem eine Folge der gestiegenen Umweltbelastung und nur geringfügig auf Wochenendgriller zurückzuführen.

Ebenso wie Schicks sorgt sich angeblich auch Volker Liepelt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, um Flora und Fauna. Deswegen will er mehr Ruhe und weniger Holzkohle in den Berliner Parks haben. Ein Grillverbot für die Grünflächen in allen Bezirken müsse her, fordern er und seine Fraktion. Umweltsünder, die dann trotzdem ihr Feuerchen anzünden, sollen ordentlich zahlen. Bis zu 5.000 Mark Buße könnte dann eine Rostbratwurst kosten, wenn Liepelt mit seinem Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus durchkommt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Bündnis 90/Die Grünen wanten sich ausnahmsweise gegen die umweltschützende Maßnahme. Verkehrte Welt? Ausländerfeindlichkeit, nicht Umweltschutz, vermutet der BUND als Motiv für Liepelts Gesetzesinitiative. Tatsächlich würde das Grillverbot hauptsächlich Ausländer aus den Berliner Parks vertreiben, die heiße Sommertage dann in ihren engen Wohnungen in Neukölln, Kreuzberg oder Moabit verbringen müßten.

Ökologie fange nicht bei der Verteidigung eines einzelnen Grashalms an, sagte der umweltpolitische Sprecher Hartwig Berger (Bündnisgrüne) im Abgeordnetenhaus. Der Tiergarten diene hauptsächlich der Erholung von Stadtbürgern und sei kein Denkmal. Umweltschützer und solche, die vorgeben, welche zu sein, sollten außerdem bedenken, daß die erholungsbedürftigen Menschen bei einem Grillverbot in das Berliner Umland flüchteten, um dort ihr Feuerchen zu machen. Zu den Schadstoffen aus der Holzkohle kämen dann noch deren Autoabgase. „Wer die Umwelt schützen will, muß weitsichtiger denken“, sagt Berger.

Aber der grüne Politiker fürchtet nicht, daß die christdemokratische Wahlkampfkampagne Erfolg hat. „Die SPD wird sich nicht lächerlich machen und für das Gesetz stimmen. Dann verhungert die CDU im Abgeordnetenhaus“, glaubt er. Vom Innenausschuß ist der Entwurf schon abgelehnt worden, und auch im Rechtsausschuß sprachen sich SPD-Politiker gegen das „ausländerfeindliche und sinnlose“ Gesetz aus.

Baustadtrat Horst Porath (SPD) vom Bezirk Tiergarten hält jedenfalls nichts von einer Entvölkerung der Parks. Für ihn ist die Anlage einer der größten multikulturellen Kommunikationswiesen der Republik. Daß es Müllprobleme gibt, sieht auch Porath. „Deswegen haben wir zwanzig Großcontainer aufgestellt. In diesem Jahr ist abends der meiste Müll in diesen Containern und nicht auf den Wiesen“, berichtet Porath. Außerdem werden Flugblätter in türkisch, arabisch und anderen Fremdsprachen verteilt, in denen auf die Umweltprobleme hingewiesen werden. Über ausländische Zeitungen und Fernsehsender fordert die Senatskanzlei zu umweltschonendem Verhalten auf.