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Auf zum goldenen Tor

Am Montag beginnt in Schweden die Fußball-WM der Frauen – neue Regeln, steigender Profit  ■ Von Matthias Kittman

Berlin (taz) – Einmal war der Fußball-Weltverband FIFA richtig fortschrittlich – jedenfalls gemessen am Deutschen Fußball-Bund (DFB), und dieser Umstand relativiert die Progressivität schon wieder. Aber egal. Der DFB nämlich nannte standhaft fußballspielende Frauen nicht Frauen, sondern Damen. Da wurde es selbst der FIFA zu blöd, und sie forderte die Deutschen auf, endlich von dieser altmodischen Bezeichnung abzulassen. Schließlich würde niemand sonst kickende Frauen „Damen“, „Ladies“ oder „Madames nennen. Vor dem „Women's World Cup“ in Schweden wäre es langsam an der Zeit, zur Besinnung zu kommen. Was prompt geschah.

Doch daraus nun zu schließen, daß die FIFA an der Spitze der Bewegung steht, wäre grundfalsch. Denn bis vor kurzem war der Weltverband selbst der größte Gegner von Frauen am Ball. Die Art der Widerstände war und ist vielfältig. Zu den sattsam bekannten Klischees über die „Vermännlichung“ der Frauen durch das Fußballspiel und den nicht minder bekannten sexistischen Vorurteilen sind mittlerweile neue Aspekte hinzugekommen. „Gerade in Afrika und Asien sehen die fußballspielenden Männer die es ihnen gleichtuenden Frauen als einen Angriff auf ohnehin knappe Ressourcen“, sagt FIFA-Sprecher Marius Schneider aus der Zentrale in Zürich. Die oft noch schlechte Infrastruktur, wenig Plätze, fehlendes Material und kaum ausgebildete Trainer dienen oft als Munition für die These, daß erst einmal Männer Fußballspielen sollten, bevor etwas für die Frauen übrigbleibt. Viele Gegner des Frauenfußballs in der FIFA greifen gern auf diese Argumente zurück, zumal bei einigen Mitgliedern des Weltverbandes auch religiöse und kulturelle Vorbehalte eine Rolle spielen.

Andererseits kann die FIFA nicht daran vorbeisehen, daß in über 100 Nationen etwa 20 Millionen Mädchen und Frauen Fußball spielen. Im Soccer-Zukunftsmarkt USA sind 40 Prozent der Aktiven weiblich. Mehr als 750.000 Spielerinnen sind in Highschool- und Collegeteams organisiert. Nicht zuletzt deswegen ist Frauenfußball 1996 in Atlanta erstmals ins olympische Programm aufgenommen worden. Mit Frauenfußball läßt sich in Zukunft möglicherweise viel Geld verdienen, und das interessiert die FIFA immer. Momentan allerdings wären alle Beteiligten froh, wenn die WM keine Verluste macht, denn „Geld verdienen wir derzeit nur mit der WM der Männer“, stellt Schneider klar.

Frauenfußball wird jedoch für die Sponsoren immer interessanter. „Die WM in Schweden wird live im TV übertragen, und alle teilnehmenden Nationen wollen die interessanten Spiele im eigenen Fernsehen haben“, sagt FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter. Viele internationale Konzerne, die schon beim Männer-World Cup 1994 in den USA Geld investiert haben, unterstützen auch die Frauen-WM. Hinter dem Engagement der Konzerne steckt auch das Bestreben des US-Verbandes, die Frauen-WM beim nächsten Mal in die USA zu holen, und „die Amerikaner haben unter den Bewerbern für 1999 die pole position“, weiß Schneider. Wenn das klappt, soll, wie nicht anders zu erwarten, geklotzt werden. Statt wie jetzt in Schweden 12 Teams, sollen es dann 16, am besten aber gleich 24 sein. Das jedoch könnte dem Frauenfußball eher schaden, denn die Leistungsunterschiede sind nach wie vor sehr groß.

Schon bei dieser WM haben maximal nur vier Mannschaften eine echte Chance, den Titel zu holen. Und das sind die vier Ersten der WM 1991 in China: USA, Norwegen, Schweden und Deutschland. Dahinter klafft eine große Lücke. Südamerikameister Brasilien etwa gewann seine Qualifikationsspiele fast nur zweistellig. Falls das bei einer WM passiert, „würde das doch keiner mehr ernst nehmen“, übt Schneider dezente Kritik an den von seinem Arbeitgeber unterstützten Plänen zur Ausweitung der WM: „Ein 10:0 in der Vorrunde kann niemand wollen.“

Gewollt haben die Frauen auch nicht, daß die WM zum Test für neue Regeln wird. Jedes Team kann jetzt einmal pro Halbzeit eine Auszeit nehmen – maximal zwei Minuten lang und nur bis zur 40. Minute einer Hälfte. In das traditionelle Fußballgeschehen wird eine andere Regel noch viel gravierender eingreifen: In einer Verlängerung soll nun das „golden goal“ entscheiden. Analog zum „sudden death“ im Eishockey ist das Spiel dann sofort beendet. Erst, wenn nach zweimal 15 Minuten kein Tor gefallen ist, kommt es zum üblichen Elfmeterschießen.

Allerdings wurden die Regeln den Teams so kurzfristig mitgeteilt, daß niemand damit Erfahrung hat: „Bei einer Männer-WM würde das doch niemandem einfallen“, kritisieren Trainer und Spielerinnen. Gefragt wurden sie von der FIFA ohnehin nicht.

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