: Hindernis für Raser
■ Das einsame Haus an der Hohenstaufenstraße bleibt stehen / Straße wird schmaler / Wohnungsneubau ist geplant
Ein Nadelöhr im Berliner Straßennetz wird noch enger. Das einsame Haus an der Hohenstaufenstraße 22 im Bezirk Schöneberg, das Autofahrer und Radler gleichermaßen in Richtung Bundesallee in zwei scharfen Kehren umkurven müssen, kann stehenbleiben. Außerdem wird die breite Ost-West-Fahrt auf der Hohenstaufenstraße „zurückgebaut“. Statt der Fahrspuren sollen Wohnungen und eine Kita auf dem schmalen Streifen hinter dem Wohngebäude entstehen. Die Senatsverwaltung für Verkehr hat entschieden, auf den Abriß des Verkehrshindernisses Nummer 22 und einen weiteren Straßenausbau zu verzichten, so eine Mitteilung aus dem Hause Haase an das Schöneberger Bezirksamt.
Die enge Kurve um das einsame Haus mitten auf der Straße gehört zu den Absonderlichkeiten der Berliner Verkehrsplanung. Als Restposten einer früheren Blockrandbebauung hatte es die Bombardements des Zweiten Weltkriegs, die Flächensanierung, aber vor allem die Straßenverbreiterung an der Hohenstaufen- und Pallasstraße in den sechziger Jahren überlebt. Wer seither per Automobil aus der Pallasstraße kam und die Martin-Luther-Straße überquert hatte, mußte sein Tempo reduzieren und mit starken Lenkbewegungen das Gebäude umfahren, das wie ein Fels in der dort tobenden Verkehrsbrandung stand und steht.
Die Pläne eines längst entschiedenen städtebaulichen Wettbewerbs für den Wiederaufbau von Wohnbauten, Geschäften und sozialen Infrastruktureinrichtungen auf der breiten Durchgangsstraße hatte Verkehrssenator Herwig Haase bis zuletzt nicht freigegeben – mit dem Hinweis auf die scheinbar notwendigen vier Fahrstreifen. Haase hielt damit an der Windschutzscheibenperspektive seiner Vorgänger fest.
Diese hatten eine Verkehrstrasse von der Bundesallee über die Hohenstaufenstraße, die Pallasstraße bis zur ausgeweiteten Goebenstraße als möglichen Autobahnzubringer zur Westtangente vorgesehen. Noch im Jahre 1993 hatte Haases Verkehrsverwaltung Schönebergs grüne Baustadträtin Sabine Ritter angewiesen, das störende Haus Nummer 22 beseitigen zu lassen, um die Blechlawinen-Pläne realisieren zu können. Ritter lehnte damals die Abrißaufforderung ab, befanden sich doch Wohnräume und eine Wärmestube für Obdachlose in dem Gebäude.
In der Nachricht des Verkehrssenators heißt es nun, daß die „bisherigen fachlichen Bedenken gegen den beabsichtigten Straßenumbau zurückgestellt“ würden, falls sich ein Investor für das Bauvorhaben von 180 Wohnungen finde. Außerdem soll dieser die Kosten für den Straßenumbau sowie die unterirdische Leitungsverlegung tragen. Welcher mögliche Investor die Bebauung finanzieren könnte, war gestern im Bezirksamt nicht zu erfahren.
Mit dem Beschluß des Verkehrssenators zum Haus Nummer 22 dürften auch die Pläne zur Verbreiterung von Teilen der Pallasstraße nun vom Tisch sein. Dort versperrten in der Höhe der Eisenacher Straße gleich mehrere Gebäude den Durchstich. Diese vom Abriß bedrohten Häuser gammeln wegen ihrer unsicheren Zukunft seit Jahren vor sich hin. Jetzt könnte mit einer Sanierung und Modernisierung begonnen werden. Allein es fehlt an Geld für den notwendigen Umbau – auch ein Resultat einer verfehlten Verkehrspolitik. Rolf Lautenschläger
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