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Kommt Mausi raus?!

■ "Wilde Herzen": Die ARD hat ihr Coming-out mit einem Lesbenfilm (20.15 Uhr)

Lange genug hat es ja gedauert. Bis vor wenigen Jahren waren lesbische Frauen in der ARD-Primetime gar nicht existent. Und selbst Casten Flöter, der öffentlich-rechtiche Vorzeigeschwule aus der „Lindenstraße“, führte aufgrund eines von oben verordneten Kußverbots ein äußerst keusches Dasein. Als man uns dann im Frühjahr letzten Jahres endlich Marion Kracht als lesbische Tochter des „Havelkaisers“ Günter Pfitzmann bescherte, mußte auch sie ihren Blaumann tunlichst anlassen – statt sich den Drillich von ihrer angebeteten Rechtsanwältin genüßlich vom Leib reißen zu lassen. Nun endlich hat die ARD also ihr Coming-out – mit der beherzt zur Sache gehenden Coming-outGeschichte „Kommt Mausi raus?!“

„Mutti, ich komm ein bißchen später“, sagt die zwanzigjährige Kati am Telefon, während sich ihre Freundin Yumiko über sie hermacht. Und das soll nicht die einzige Bettszene bleiben. „Da ist keine Szene drin, die man jemandem nicht zumuten könnte“, sagt die für die Reihe „Wilde Herzen“ mitverantwortliche NDR-Redakteurin Doris Heinze fast ein wenig pikiert, daß man die ARD so unterschätzt. Die positive Überraschung ist der 29jährigen Drehbuchautorin und Koregisseurin Angelina Maccarone zu verdanken. Sie hat in „Kommt Mausi raus?“ ihre eigene Biographie verarbeitet: Kati – sehr überzeugend und sympathisch gespielt von Julia Richter – entledigt sich nach dem Abitur ihres Spitznamens „Mausi“ und zieht aus einer westfälischen Kleinstadt nach Hamburg. Hier wandelt sich das „Landei“ mit den langen Haaren in wenigen durchaus komischen Szenen zur urbanen Kurzhaarlesbe. Im Bioladen trifft sie dann ihre erste große Liebe, Yumiko. Kati hat nur ein Problem: Wie sag ich's meiner Mutter?

Gewappnet mit einer neuen Lederjacke und knallrot gefärbten Haaren, wagt sie den Besuch in dem kleinen Kaff und begegnet Heuchelei, Ablehnung, aber auch Verständnis – ganz so wie im wahren Leben.

Es gelingt selten, daß lesbisches Leben authentisch dargestellt wird. Maccarone ist das geglückt. Sie gewinnt dem ernsten Thema sogar satirische Seiten ab. Wo gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon mal Mütter zu sehen, die Badezimmertüren eintreten – und das in Zeitlupe? Über den Schluß soll nur soviel verraten werden: Es gibt ein Happy-End, eigentlich sogar ein doppeltes. Auch Katis Mutter will sich nie wieder verstecken: Jahrelang hat sie wegen ihrer älteren Tochter heimlich auf dem Klo geraucht. Jetzt bekennt sie sich selbstbewußt zu ihrem Dasein als Raucherin. Dorothee Winden

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