Der Major als Richter

■ Hartes Urteil wegen Fahnenflucht – trotz abgeleisteten Zivildienstes

„Vielleicht vergessen sie dich ja und du kannst es dann später aufklären.“ Frank S. (26) hatte gehofft, das die Anklage gegen ihn wegen Fahnenflucht in zwei Fällen sich irgendwann von selber lösen würde. So einfach ist das aber nicht, besonders dann nicht, wenn der Vorsitzende Richter Major der Reserve bei der Bundeswehr ist.

Bereits im April 1992 geht dem gelernten Heizungsmonteur der Einberufungsbefehl zur Ableistung seines Wehrdienstes beim 6. Luftwaffenregiment in Goslar zu. S., der mit Drückerkolonnen im gesamten Bundesgebiet unterwegs ist, bleibt einfach weg. Auf einen Hinweis seiner Eltern wird S. Ende August von Feldjägern in Köln aufgegriffen und noch in der Nacht zur Kaserne Goslar gefahren. Nach drei Tagen hat S. genug: „Ich hatte Platzangst, alles war so eng, ich wollte nur weg.“ Er meldet sich zum Telefonieren ab und kommmt nicht wieder. Zum zweiten Mal erfüllt S. „den Tatbestand der Fahnenflucht“ und verkauft weiter Zeitschriftenabos an deutschen Haustüren. Ende 1993 schließlich hat er das Verstecken satt, verweigert den Wehrdienst und leistet seinen Zivildienst „ordnungsgemäß“ bei einem privaten Rettungsdienst in Jever ab.

Doch damit war die Sache nicht lange nicht aus der Welt. Gestern mußte sich S. vor dem Bremer Amtsgericht wegen Fahnenflucht in zwei Fällen verantworten. Der Angeklagte kam ohne seinen Verteidiger. „Zu dem, was ich zu sagen habe, brauche ich keinen Anwalt. Ich weiß, ich habe Mist gebaut.“ Aber auch das Geständnis konnte den Richter nicht milde stimmen. „Wehrpflicht ist demokratische Normalität“, ließ Hans-Joachim Gerboth wissen. Mit seinem Urteil von acht Monaten auf Bewährung überschritt er die von Oberstaatsanwalt Christian Tietze geforderten sechs Monate auf Bewährung. Zynisch entschuldigte der Richter das „niedrige Strafmaß“ mit der Geständigkeit des Angeklagten, seiner „positiven Sozialprognose“ und dem „Nachkommen seiner Staatsbürgerspflicht“ durch das Ableisten des Zivildienstes. falk