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Kohl in Israel institutionalisiert

■ Das Zentrum für Europäische Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem heißt jetzt „Helmut-Kohl-Institut“

Wie oft bei seltsamen Entscheidungen sind die Urheber nicht klar auszumachen. So auch in diesem Fall. In diesen Tagen, während der deutsche Kanzler in Israel weilt, wird in Jerusalem an der Hebräischen Universität der Stadt einer wissenschaftlichen Einrichtung der Name „Helmut-Kohl-Institut“ verpaßt: dem „Zentrum für Europäische Studien“, wie das Institut bisher hieß. Bislang ist unklar, ob diese Namensgebung auf eine Initiative aus dem Bundeskanzleramt zurückgeht oder, wie offiziell erklärt wird, ein Vorschlag von nicht näher benannten „israelischen und europäischen Freunden“ der Hebräischen Universität war.

Die Botschaft kam vom israelischen Botschafter in Bonn, Avi Primor. Herr Primor war, ehe er in Bonn tätig wurde, Vizepräsident der Hebräischen Universität, und davor diente er verschiedenen israelischen Außenministern. Ein professioneller Diplomat, der weiß, wie Politik gemacht und getimet wird. Doch wenn man schon nicht erfährt, wer für die Benennung des Europa-Instituts nach Kohl wirklich verantwortlich ist, so weiß man wenigstens, wer damit nichts zu tun hat: die Angehörigen des Instituts selbst. Formal getroffen hat die Entscheidung die Leitung der Universität. Eine Diskussion, geschweige denn eine Abstimmung universitärer Gremien hat es jedoch nie gegeben.

Das Zentrum für Europäische Studien besteht seit wenigen Jahren. Finanziert wird es auch von Forschungsgeldern aus Deutschland, zum Beispiel der Bertelsmann-Stiftung. Aus diesen Gründen hält man sich am Institut mit öffentlicher Kritik bisher zurück. Schließlich kann man nicht die Hand beißen, die einen füttert. Zu vernehmen ist lediglich, man sei nicht sehr glücklich, den Namen von jemandem zu bekommen, der noch aktiv in der Politik ist. Das ist diplomatisch formuliert.

Namensgebungen sind an israelischen Universitäten, da folgen sie den amerikanischen, üblich. Das hängt mit ihrer Finanzierung zusammen. Wer Gelder spendiert, der darf seinen Namen einem Lehrstuhl, einem Institut oder einem Gebäude leihen. An der exponiert gelegenen Hebräischen Universität in Jerusalem, von wo man sowohl in die Stadt als auch ins palästinensische Westjordanland hinunterschauen kann, gibt es beispielsweise schon ein Truman- Institut, ein Frank-Sinatra-Zentrum, einen Nancy-Reagan-Platz oder ein Streisand-Gebäude, das Tochter Barbra in Erinnerung an ihren Vater sponserte. Und nun also auch ein Helmut-Kohl-lnstitut.

Ob es nur um Hochschul-Sponsering geht, ist allerdings fraglich. Warum nennt man das Institut zum Beispiel nicht nach Willy Brandt? Oder, wie der Gründer und erste Direktor des Europa-Instituts, Professor Moshe Zimmermann, heute Dekan der Fakultät für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität, vorschlägt, nach einer renommierten Person aus der deutsch-jüdischen oder der europäisch-jüdischen Geschichte?

Mit Namensgebungen wird auch Politik gemacht. Zum Beispiel eine wie die augenblickliche Europa-Politik, die mit den Namen Maastricht und Schengen verbunden ist und die Kohl wie kein zweiter repräsentiert. Thomas Moser

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