: Streit um Akten
■ Albaniens Ex-Kommunisten für Öffnung der Geheimdienst-Archive
Tirana (dpa) – Gut fünf Jahre ist es her, daß in Albanien die Kommunisten auf Druck der Öffentlichkeit ihr Machtmonopol aufgeben mußten. Die Akten des berüchtigten Geheimdienstes Sigurimi hingegen schlummern noch immer in den Archiven, zugänglich nur für eine Handvoll Personen der heute regierenden Demokratischen Partei (DP).
In diesen Tagen hat sich der Druck der Opposition verstärkt, die verbotenen Archive endlich zu öffnen. Ausgerechnet die ehemaligen Kommunisten, die heute unter dem Namen Sozialistische Partei die größte Fraktion unter den oppositionellen Abgeordneten stellen, unterstützten einen Vorstoß ihres sozialdemokratischen Parlamentskollegen Skender Gjinushi, die über führende Politiker wie Staatspräsident Sali Berisha angefertigten Dossiers zu veröffentlichen. Doch die Demokraten mit Berisha an der Spitze lehnten den Gesetzesantrag ab – wie schon zweimal zuvor.
Ein solcher Akt, argumentierte die DP, würde einen nicht mehr steuerbaren Prozeß der politischen Rache im Lande auslösen. Als Grund für die unter umgekehrten Vorzeichen stehende Debatte – Ex-Kommunisten für, Ex-Opposition gegen die Öffnung – vermuten Beobachter Gerüchte, wonach in der DP-Führung ehemalige hochrangige Sigurimi-Mitarbeiter Unterschlupf gefunden haben.
So wurde dem DP-Präsidiumsmitglied und Parlamentspräsidenten Pjeter Arbnori von einem ehemaligen Mithäftling vorgeworfen, während seines 20jährigen Aufenthaltes in kommunistischen Gefängnissen Mithäftlinge im Auftrag der Sigurimi ausgehorcht und verraten zu haben. Die Oppositionspresse will auch in anderen DP-Abgeordneten ehemalige Sigurimi-Mitarbeiter wiedererkannt haben.
Die inzwischen aufgelöste Geheimpolizei Albaniens war wegen ihres brutalen Vorgehens stets verhaßt und gefürchtet. Mindestens fünf Prozent der etwa 3,5 Millionen Einwohner sollen in irgendeiner Weise direkt mit der Sigurimi zu tun gehabt haben. Es heißt sogar, jeder dritte Albaner habe für die Geheimpolizei gearbeitet.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen