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Zuwenig Käufer im Nahen Osten

■ Die deutsche Wirtschaft ist mäßig begeistert / Arabische Geschäftsleute noch skeptisch gegenüber Handel mit Israel

Kairo (taz) – „Mit dem Friedensprozeß wird der Nahe Osten wieder als Wirtschaftsregion entdeckt, nachdem er jahrelang in der Versenkung verschwunden war“, erklärt der Direktor der Deutschen Handelskammer in Kairo, Peter Göpfrich. Beim Deutschen Handelstag herrschte seit dem Osloer Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern Aufbruchstimmung: In den nächsten Wochen will der Industrie- und Handelstag neue Repräsentanzen der Deutschen Handelskammer in Beirut und im Westjordanland einrichten. Frühzeitig will man präsent sein und die Entwicklung nicht wie im Fernen Osten verschlafen.

Inzwischen sieht man den Friedensprozeß etwas realistischer. Die erste Eldorado-Stimmung hat sich gelegt. „Der palästinensische Markt ist zu klein“, lautete etwa das Ergebnis einer Umfrage unter deutschen Firmen. Der Friedensprozeß selbst steht in Frage. „Aber der Zug rollt, wenngleich etwas holprig“, meint Kammerchef Göpfrich optimistisch.

Die neuen Repräsentanzen sollen ausloten, welche Möglichkeiten es für die deutsche Industrie gibt, die Wiederaufbaugelder abzuschöpfen. Immerhin zwei Milliarden Dollar wurde den Palästinensern nach Oslo von internationalen Geldgebern versprochen. Die meisten Industrievertreter kommen jetzt, um von den angekündigten Großprojekten ihr Schärflein abzukriegen.

Flughäfen fürs Hongkong des Nahen Ostens

„Sie alle wollen den Flug- oder einen Seehafen in den palästinensischen autonomen Gebieten bauen“, erzählt Göpfrich. Bisher ohne Erfolg. Die meisten der versprochenen Gelder sind bisher nicht freigegeben, und den Flughafenauftrag hat sich eine ägyptische Baufirma an Land gezogen. Aber in der bilateralen Hilfe der Bundesregierung wird vielleicht langfristig das eine oder andere Projekt für deutsche Firmen abspringen. In Beirut waren deutsche Firmen erfolgreicher. Der Flughafenausbau ging an die Firma Hochtief, und Siemens bekam einen großen Teilauftrag, um das vollkommen desolate Beiruter Telefonnetz wiederherzustellen.

Was nach der Wiederaufbauphase geschehen soll, steht noch in den Sternen. „Palästinensische Arbeitskräfte sind gut ausgebildet und billig. Der Standort liegt logistisch günstig zu Europa“, erklärt Göpfrich. Besonders im Computer-/Software-Geschäft sieht er gute Möglichkeiten. Bei Landwirtschaftsprodukten konkurrieren die Palästinenser inzwischen sogar mit den Israelis. Ähnliches gilt für Beirut, das mit Slogans wie „Das Hongkong des Nahen Osten“ wirbt.

Ob Beirut aber noch einmal das Finanzzentrum der Region wird, bleibt fraglich. „Im Zeitalter des elektronischen Banktransfers sind solche Zentren nicht mehr notwendig“, analysiert Göpfrich.

Die israelische Industrie gehört heute zu den Vorreitern des Friedensprozesses und des nahöstlichen Marktes. Beides liegt ganz in ihrem Interesse. Sie sieht darin eine Möglichkeit, den Jahrzehnte dauernden arabischen Wirtschaftsboykott zu beenden. Die arabische Seite ist weitaus vorsichtiger und möchte zunächst die politischen Probleme gelöst sehen. Die Wirtschaft kann nicht alles zur Seite schieben.

Die Palästinenser seien am weitesten, was die Wirtschaftskooperation mit Israel betrifft, beschreibt Göpfrich seine eigenen Erfahrungen. Man kenne sich immerhin seit über 40 Jahren. Manche Jordanier reden dagegen auf Wirtschaftstreffen noch heute von den Israelis wie von Todfeinden, und auch im Libanon seien die Ressentiments groß. Die israelische Invasion 1982 und die ständigen Bombardierungen des Südlibanon haben auch bei den libanesischen Geschäftsleuten ihre Spuren hinterlassen. Karim El-Gawhary

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