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Schlager und Schokobananen

■ Mit Schlagern schaffen „Lars Vegas und die Heiterkeit“ Partystimmung - nun droht die CD

Bremer Uni, Asta-Kulturreferat: drei junge Männer in Hemden diskutieren Aussage und Metaphorik in Bernhard Brinks „Ich wär' so gern wie du“. Da jubiliert der „Junge Freiheit“-Leser. So weit ist es gekommen mit der einst als Kaderschmiede verschrieenen Lehranstalt. Der erste Eindruck, den drei Viertel von „Lars Vegas und der Heiterkeit“, Bremer Senkrechtstarter in Sachen deutscher Schlager, hinterlassen, ist erschütternd. Zuerst ersingen sich diese Leute mit Slogans wie „Lieber schöne Lieder singen als weiter dumme Reden schwingen“ einen Platz im Studentenparlament. Dort scheitern sie zwar mit ihrem Anliegen, die Uni in Roy-Black-Universität umzubennen, aber seit sie im Kulturreferat sitzen, tanzt die Bremer Studentenschaft wieder - und zwar zum Schlager.

Warum der Schlager derzeit den Lebensnerv so vieler trifft, warum Siebziger-Parties heute noch die einzig guten und Wenzel Storchs Filme wichtiger denn je sind, ist dem Quartett ein Rätsel. „Vieleicht, weil die Leute die gespannten, agressiven Töne satt sind. Grunge und Techno haben ihren Stellenwert, aber manchmal wollen die Leute ausbrechen,“ analysiert Sänger Lars. Elterlicherseits ist er mit dem pseudonymerfordernden Namen Münckeburg belastet. In Zeiten, wo die Subkulturen im eigenen Saft schmoren, ist der Rückgriff auf das Altbewährte das Ausgeflippte, „der Punk der Neunziger“, wie es Gitarrist Thorsten nennt. Und den haben die vier drauf wie kein zweiter , denn: „Lars Vegas und die Heiterkeit“ist nicht ironisch gemeint, auch wenn ihnen das kaum einer abnimmt. Lars: „Wir waren neulich beim Michael Holm-Konzert, aber selbst der fühlte sich von unserer Begeisterung etwas verarscht.“

Natürlich sind sie sich der unfreiwilligen Komik bewußt, den der Bezug auf dieses dunkle Kapitel der deutscher Kulturgeschichte beinhaltet. Aber das Risiko geht man gern ein. Dazu gehört eine blonde Perücke beim Howard Carpendale Stück, Sombreros zur „Fiesta Mexikana“ und der Tirolerhut von Billy Mo. Lars: „Das ist eben Unterhaltung. Aber wir wollen uns nicht als Personen absichtlich irgendwie zum Horst machen.“ Vieleicht wirkt es deshalb nicht dämlich, wenn rumgeschunkelt werden soll, Schokobananen und Wunderkerzen von der Bühne gereicht werden. Der Rest ist einfach - die Texte kennt jeder, und wo alle Peinliches abfeiern, ist Mitmachen nicht peinlich. „Schlager ist Unterhaltung jenseits der Hemmschwelle, und das macht einfach Laune,“ findet Geschichtsstudent Marc. Das Herz für die Siebziger entdeckten Lars und Co. als Teens in der Zwölfen Klasse - der alte Dylan kickte nicht mehr auf der Wandergitarre. „Der Schlager rettete uns,“ erinnert sich Bassist Erich an die erste Nacht im Zeichen des Deutschsprachigen. „Wir haben sechs Stunden am Stück gesungen.“ Doch erst seit ein paar Monaten wird diese Vorliebe als Band ausgelebt. Vor allem seit Thorsten die Sechssaitige bedient, geht es steil berg auf. Kein Wunder, der Unterhaltungs-Veteran kannte als Vorsitzender des Howard-Carpendale-Fanclubs das Metier ja bereits. Ga De We- und Veganer-Schreck Urdrü, taz-LeserInnen sicher kein Unbekannter, kam und sah die Heiterkeit bei diversen Auftritten - und verschaffte Neue. Dank persönlicher Kontakte sind Lars Vegas und Co. seit Anfang des Jahres jedes Wochenende unterwegs und verwandeln alles von der Party zum Stadtfest in einen launig-nostalgischen Hexenkessel.

Nun ist gar eine CD angedroht, auf der vor allem eigenes Material verewigt werden soll. Ganz in der Tradition des Schlagers sind es die kleinen Alltagsgeschichten, die die Texte schreiben. Nicht immer nur über die Liebe, wohlgemerkt. Ein paar Wochen Jobben als BSAG-Fahrgastbefrager schlägt sich in Hits wie „Flotte Teens im Straba-Dienst“ nieder.

Doch auch nachgespielt wird fleißig. Aber mit Niveau, G.G. Anderson etwa wird nicht mit der Zange angefaßt. „Schlager,“ steht für Lars fest, „kannst du nicht über einen Kamm scheren.“ Der Respekt vor dem Original unterscheidet sie vom Rest der Musikantenwelt. Thomas: „Einen Schlager als Punkversion nachzuspielen ist doch überhaupt nicht lustig.“ Schließlich ist der Schlager sich selbst genug. Von der jungen Generation der Schlagerfreunde wird ihm einiges zugetraut: Völkerverbindend sei er, generationsübergreifend, beinah allheilend. Lars: “Wenn man sich selbst so weit demütigt wie bei dieser Musik, wird man toleranter. Und andere werden es dann auch.“ So stehen Lars Vegas und seine Mitmusikanten für alles Gute im Menschen ohne explizit politisch zu agieren. Und sind gegen alles schlechte: Coolheit, Arroganz, Konsum. Und Mode - es sei denn, sie kostet fünf Mark das Kilo im Second-Hand Laden. „Und Platten kosten auf dem Flohmarkt nur eine,“ schwärmt Lars. „Schlager ist das billigste Hobby, das es gibt!“

Lars Reppesgaard

Lars Vegas und die Heiterkeit spielen am Samstag ab 20.00 im Studentenwohnheim in der Vorstraße

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