Wand und Boden
: Hausmusik

■ Kunst in Berlin jetzt: Heidenreich, Arakawa, Gins, Thäsler

Ein altes Haus aus dem 18. Jahrhundert. Welche Spuren hat es in welchen Archiven und Speichern der städtischen Bürokratie hinterlassen? Welche „Hausgeschichten“ können die Leute erzählen, die dort zuletzt noch arbeiteten und wohnten? Oder diejenigen, die jetzt kräftig powern, seinen neuen Ruhm als „Institut für zeitgenössische Kunst und Theorie“ von Berlin bis wenigstens Venedig zu verbreiten? Denn das Haus, dessen Spuren Stefan Heidenreich in den Kunst-Werken erneut verortet, ist das Haus der Kunst- Werke in der Auguststraße 69.

Es sind recht verschiedene Dinge, die als Datenträger der Hausgeschichte(n) des Hauses fungieren. Da ist das Haus selbst, das man betreten muß, um es in seinen fotografischen Abbildungen noch einmal zu haben. Als Papier an der Wand sind sie irgendwo zwischen dem realen Ort und seiner Verzettelung im Karteikasten angesiedelt, der in der Mitte des Ausstellungsraumes steht. Ebenso wie die Tonbandinterviews benennen sie die Anlage als Wohn- und Produktionsort, mal für Quarzlampen, mal für Fensteröffner oder Margarine. Eine Stimme erzählt, wo der Schreibtisch des Vaters stand, ein Foto zeigt die Rühr- und Knetbottiche und ein Handelsregistereintrag den Konkursantrag. So geht zusammen, was tatsächlich typische Berliner Architektur war: Wohnhaus, Hof, Fabrik. Die Tonspur der Lautsprecher an zwölf Gebäudepunkten lotst den Besucher über dieses Areal. Die in die Ortsbegehung überführte Spurensicherung ist weder papieren pedantisch noch biographisch sentimental, sondern politische Hausmusik: Wohnen, Kleingewerbe und Artisten (wie im Adreßbuch von 1934 vermerkt) ist das Anti- Modell zur neu erfundenen „preußischen Tradition“ der aktuellen Architektur und deren Unort Rendite.

Bis 27.8., Di.-So. 14-18 Uhr

Rendite geht auch mit der Vorstellung eines „umkehrbaren Schicksals“ nicht zusammen, welches das Künstlerpaar Arakawa und Madeline Gins seiner Architektur zugrundelegt. Arakawa/Gins zeigen die bislang radikalsten Entwürfe in der „Kunst wird Architektur“- Reihe der Busche Galerie. Anhand sechs großer Computerzeichnungen wird der Besucher mit den Utopien des „Reversible Destiny Public Housing“, des „Reversible Destiny House“ und „-Office“ bekannt gemacht, einer leichtfertigen Landschaft der Grausamkeit. Denn der japanische Konzeptkünstler und die Philosophin gehen mit ebenso paradoxen wie frivolen Überlegungen gegen die gewöhnliche Logik des Bauens überhaupt an. Ihrem „Standard House“ unterliegt eine spezielle „Terrain Study“, die einen landschaftlich geschwungenen statt planen Boden für das Gebäude vorsieht. Ein anderes Haus ist voller Türen, nicht nur in der Wand, sondern auch in Stühlen, Tischen und Betten. Und dann versprechen die Autoren, daß es in ihrer Sozialsiedlung möglich wäre, simultan an zwei Orten gegenwärtig zu sein. Ob Bühnenbild, Installation oder doch Architektur: Die Unbenutzbarkeit ihrer Vorschläge zielt produktiv gegen die heute allem beiliegenden Bedienungsvorschriften und den Eindruck, daß wir nur noch nach Gebrauchsanleitung leben. Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren ... Architekten? Künstler? Apotheker?

Bis 17.6., Mi., Fr. 15-18, Sa. 11-13 Uhr, Bundesallee 32

Unbenutzbar sind auch die Leitern, die in der Galerie Querformat ins Nichts ragen beziehungsweise blind an Wand und Decke enden; nicht nur dieser Unwegsamkeit wegen, sondern vor allem aufgrund des Glases, das zwischen den Sprossen steckt. Die Installation von Susanne Thäsler ist mit sorgsamer Vorsicht zu umschreiten. Derart entsteht ein melancholischer Raum, dessen Schwermut einen sogenannten guten Grund hat, der natürlich ein schlechter ist. Um noch einmal den Begriff der Rendite zu strapazieren – die obligate Mieterhöhung führt dazu, daß die Galerie mit dieser Ausstellung schließt. Sie brachte mitten in die Schöneberger Nachbarschaft die „Kunst des Südens“, als eine Art Kiez-Haus der Kulturen der Welt. Susanne Thäsler ist Mitbegründerin der Galerie, um deren Programm sich Peter Wollenweber verdient machte. Es war einerseits auffällig, weil ungewöhnlich, andererseits wurden die jungen Künstler aus Haiti, Peru, Bolivien oder zuletzt aus Vietnam in einem so selbstverständlichen Gestus präsentiert, daß die Herausforderung wieder an sie ging, nicht Herkunft, sondern Format zu zeigen. Sie konnten das. Das mangelnde Format ist andersweitig verortet.

Bis 24.6., Mi., Fr. 15-18, Do. 15-20, Sa. 11-14 Uhr, Apostel- Paulus Straße 35 Brigitte Werneburg