: Kein öffentliches Interesse
■ Vom Umgang mit Opfern rassistischer Gewalt / Namibier droht die Ausweisung trotz Arbeit und Mietvertrag
„Ich begreife das nicht. Da versuche ich mir nach allem was passiert ist, selbst zu helfen. Aber es werden mir nur Steine in den Weg gelegt.“ Etwas verlegen legt Lukas Nghidinwa (22 Jahre) einen Stapel Papier auf den Tisch.
„Angehörigen von Entwicklungsländern wird unter Einsatz erheblicher Kosten eine Ausbildung ermöglicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist daran interessiert, daß Studenten aus Entwicklungsländern ihre Ausbildung möglichst rasch abschließen und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sobald als möglich in ihrem Heimatstaat anwenden.“ Mit dieser Begründung verweigerte die Ausländerbehörde dem jungen Namibier im Januar eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Am 12. Juni läuft sie ab.
Als Nghidinwa im Juli 1989 mit 48 anderen Jugendlichen in die DDR einreiste, hatte er genau dies vor: eine Handwerksausbildung machen, eine Fremdsprache erlernen und dann wieder zurück in die Heimat. Aber es kam anders. Am 2. Mai 1991 stürmte ein rassistischer Mob in Wittenberge ein Lehrlingswohnheim. Sie stürzten Lukas Nghidinwa aus 16 Metern Höhe vom Balkon. Mit viel Glück überlebte der damals 18jährige den Sturz.
In den zurückliegenden Jahren konnte Lukas Nghidinwa eingehend studieren, wie in Deutschland mit den Opfern rassistischer Gewalt umgegangen wird. Lange Zeit lebte er ohne festen Wohnsitz in Berlin, abhängig von Sozialhilfe, da ihm die Ausländerbehörde nur den schwächsten aufenthaltsrechtlichen Status, die befristete Aufenthaltsbewilligung, ausstellte. „Aber ich hatte keine Lust, ständig von der Gnade irgendwelcher Behörden abhängig zu sein“, betont Nghidinwa. Nach langem Suchen und Drängen bekam er eine Wohnung von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag zugewiesen und er fand einen Job in einer Schlosserei. Seine Freude währte nur kurze Zeit. „Das Arbeitsamt hat im April mehrfach bei meinem Chef angerufen, gedroht, ihn wegen illegaler Beschäftigung anzuzeigen, wenn er mich nicht wieder entläßt.“ Der Grund: Nicht nur die Aufenthaltsbewilligung, auch die Arbeitserlaubnis wurde von der Ausländerbehörde nicht verlängert. „Obwohl ich mich gut mit dem Chef verstehe, er mich gerne weiter beschäftigen würde, mußte er mich nun im Mai entlassen.“
Auch die Gewobag, die den Mietvertrag an die Dauer der Bewilligung koppelte, droht mit Rausschmiß. „Einer weiteren Nutzung widersprechen wir hiermit“, teilte sie Lukas Nghidinwa in einem Schreiben mit. Aber er denkt nicht daran, sich gegen seinen Willen aus Berlin abschieben zu lassen. „Solange der Täter, der mich damals vom Balkon stürzte, nicht verurteilt ist, werde ich das Land nicht verlassen. Es wäre traurig, wenn die Tat ungesühnt und das Verfahren eingestellt werden müßte.“
Die Ausländerbehörde sieht das alles ganz anders. „Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken besteht nicht. Ein öffentliches Interesse ist nicht erkennbar“, teilt sie mit. Eberhard Seidel-Pielen
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