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Ein Ausbruch von unkontrollierter Speichelleckerei Von Ralf Sotscheck

Früher hat die britische Regierung ihre Truppen geschickt, um die „Teile-und-herrsche-Politik“ in den meisten Winkeln der Erde durchzusetzen. Heutzutage entsendet sie den Thronfolger, dies zu erledigen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen schöpft das Opfer erst Verdacht, wenn es zu spät ist, und zum anderen zahlt es obendrein für das Unterfangen.

Prinz Charles ist zwar seit gut einer Woche wieder bei Mutti im Buckingham-Palast, aber in Irland ist der Streit um seinen Staatsbesuch noch lange nicht beigelegt. Wie das feixende Männchen, das die Römer in „Streit um Asterix“ ins gallische Dorf eingeschmuggelt hatten, so hinterließ der grinsende Prinz in Irland eine Spur der Zwietracht. Schon die Einladungen zur Gartenparty in der britischen Botschaft sorgten fast für einen Eklat: Von den 800 geladenen Gästen blieben 300 zu Hause, darunter die gesamte Kulturszene der Grünen Insel.

Diejenigen, die gekommen waren, machten das freilich durch doppelte Unterwürfigkeit wett. John Bruton, der durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle vor kurzem in das Amt des Premierministers katapultiert wurde, sprach vom „wichtigsten Ereignis“ seines Lebens. Als Kind soll er gerne dabei zugeschaut haben, wie Farbe an der Wand trocknet, bemerkte der englische Guardian hämisch. Die Zeitung fuhr fort, daß es für britische Politiker zwar akzeptabel sei, sich gegenüber der königlichen Familie „unnötig kriecherisch“ zu verhalten, aber der Ausbruch von unkontrollierter Speichelleckerei in Irland sei beunruhigend. Ein anderes englisches Blatt staunte, daß sich ein Dutzend weiblicher Gäste bei der Wahl ihrer Kleidung und Frisur alle Mühe gegeben hatte, Charles' Ex-Lover Camilla Parker- Bowles zu gleichen.

Unterdessen frohlockte Tourismusminister Enda Kenny, daß der zweitägige Angelurlaub des Prinzen in der westirischen Delphi Lodge dafür sorgen werde, daß „die Zahl der Einheimischen in diesem Jahr von der Touristenzahl übertroffen“ werde. Kein Wunder, meinte die Organisation „Action from Ireland“, sei doch die irische Bevölkerungszahl durch die britische Vernichtungspolitik im vergangenen Jahrhundert halbiert worden. Und in Delphi Lodge, wo Charles vergnügt Urlaub machte, habe vor 150 Jahren sein Verwandter, der Marquis von Sligo, durch seine Gleichgültigkeit den Tod von Hunderten aus der Umgebung verschuldet. Nachdem der Marquis sie abgewiesen hatte, gingen viele der Hungernden geradewegs in denselben See, in dem der henkelohrige Nachfahre des Marquis nun geangelt hat.

Die irischen Zeitungen nahmen das unkommentiert hin. Der Journalist Declan Kiberd, der normalerweise alle seine Sinne beisammen hat, lobte Charles statt dessen, weil er „in königlicher Tradition das Volk den Politikern“ vorziehe. Seiner Kollegin, der Feministin Nell McCafferty, fielen dagegen die britischen Fallschirmjäger ein, die 1972 in ihrer Heimatstadt Derry ein Blutbad unter unbewaffneten DemonstrantInnen angerichtet hatten. Ihr Kommandant war und ist der Prinz. „Er scheint ein netter Mensch zu sein“, meinte McCafferty und fügte hinzu: „Jim Wray war auch nett. Er rannte damals hinter mir die Straße entlang, um vor den Kugeln Zuflucht in einem Haus zu suchen. Ich schaffte es gerade noch zur Tür. Er nicht.“

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