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An die Arbeit, fertig, los!

■ Eine niederländische Spielshow vermittelt als Hauptgewinn Ausbildungsplätze

Den Haag/Hilversum (taz) – Aus der nebelgefüllten Wartesaalglocke treten die Kandidatinnen nach vorne. „Die Würfel sind gefallen“, teilt die Moderatorin Chazia Mourali ihnen mit. Die Spannung steigt, die Gewinnerin des Tages wird gleich verkündet: „Es ist Anneke Winters“, gibt das Jurymitglied De la Chambre bekannt. Zufrieden verschränkt er die Arme. Kandidatin Winters lächelt: „Damit habe ich nicht gerechnet.“ Küßchen von der Zweitplazierten, Blumen. Sektgläser kreisen. Darüber läuft auch schon der Abspann der Sendung.

Letzten Freitag feierte im niederländischen Fernsehen die „Sollicitatieshow“ Premiere. Hier werden nicht Autos oder Waschmaschinen verschenkt, in dieser Show winkt ein ganz besonderer Preis: Die KandidatInnen können einen Ausbildungsplatz gewinnen. Aus einem knallbunten Studio wird also praktisch die Endphase einer Stellenausschreibung übertragen. Die Suche nach einem Job wird in das Format einer Gameshow gepreßt. Der Arbeitgeber, in der ersten Folge ist es der Leiter einer Justizvollzugsanstalt De la Chambre, hatte zuvor die drei präsentierten Kandidatinnen unter etlichen BewerberInnen ausgewählt. Doch zum Sendeschluß winkt nur einer von ihnen als Hauptgewinn der begehrte Arbeitsplatz im Knast.

Schon am Montag wird die Glückliche ihre Ausbildung antreten dürfen. Einzige Hürde: Die Konkurrentinnen im Spiel zu übertrumpfen. Zu Beginn der Show dürfen sich die drei Damen in Kurzfilmen vorstellen: Joanne Keune (38), verheiratet, zwei Kinder, ist seit zweieinhalb Jahren arbeitslos. Joanne läuft sommerlich gekleidet mit Hund Kelly über eine Wiese. „Dort wird die Haftanstalt von Almere gebaut, wo ich einmal arbeiten möchte.“ Yvonne Duyneveld (36), unverheiratet, zwei Kinder, braust mit einem Rettungsmotorboot übers Wasser: „Observieren und wachen, das zählt auch hier.“ Und Anneke Winters (27), befreundet, Hund und zwei Goldfische, inmitten des Anstaltsneubaus: „Ich lege den ersten Baustein für meine neue Zukunft.“ Sie werde ihren Mann stehen. Übermorgen habe sie Geburtstag. Was gäbe es da Schöneres als diesen Job? Daß hier drei Frauen um eine Stelle in der Männer-Haftanstalt kämpfen, sei „kein Zufall“, erklärt die männliche Jury. Man wolle die Quotierung.

Die Show beginnt: Mourali läutet die Fragerunde ein. Die Kandidaten nehmen ihre Plätze ein. Welche Waffe darf in einer Ausnahmesituation eingesetzt werden? Keine, der Gummiknüppel oder die Schußwaffe? Yvonne weiß die richtige Antwort. Sie weiß auch, wie die Visitation von Kleidung und Körper genannt wird und wo rechtmäßig ein Gnadengesuch eingereicht wird. Yvonne macht Punkte und liegt vorne. „Das geht hier zu wie in einem Quiz“, meint Moderatorin Mourali. Wie auch sonst.

Zum Showdown müssen die Kandidatinnen aber noch den Praxistest absolvieren: In zwei Minuten sollen Yvonne, Joanne und Anneke einen Gefangenen dazu bringen, die Poster in seiner Zelle vorschriftsgemäß ans Pinbrett zu befestigen. Joanne tritt autoritär auf (die Poster bleiben hängen) und fällt zurück. Sie schluckt und muß bald darauf das Studio verlassen. Anneke unterdrückt während des Rollenspiels ein Grinsen, macht aber schließlich das Rennen. Die Jury: „Eine in jedem Falle schwierige Aufgabe war das, bei all den Menschen und Kameras, die zuschauen.“ Für Joanne und Yvonne bleibt nach der „Sollicitatieshow“ nur der Werbeblock. Erster Spot: Ein Arbeitsvermittlungsbüro. Harald Neckelmann

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