: „Wir machen Geschichte“
Die „Feministische Partei – Die Frauen“ wurde in Kassel gegründet ■ Von Mechtild Jansen
Die Gründerinnen haben gute Vorarbeit geleistet. Alles lief wie am Schnürchen. Die „Feministische Partei – Die Frauen“ ist gegründet. Eine Mission ist erfüllt, und das war das Hauptanliegen des Treffens im „Scheidemann-Haus“ in Kassel. Da nahm frau in Kauf, daß es an Spannung ein wenig mangelte.
Rund 300 Frauen kamen, darunter manch bekannte Gesichter aus autonomen Projekten, Frauen- und Lesbengruppen, mittleren Alters und aufwärts, doch auch Junge dabei. Sie singen „Frauen in die erste Reihe“ und beanspruchen, zu neuen Ufern der Frauenbewegung aufzubrechen. Diese bestehen einerseits in der Wiederbelebung der Bewegungskultur der 70er/80er Jahre, andererseits in der Parteigründung. Die Grünen zu wählen hieße, die halbe Stimme dem Gegner zu geben, so die Hauptreferentin und Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch. „Die Arbeit in Männerparteien ist vergeudete Energie.“ Doch eine „Organisation mit Frauen und für Frauen“ sei „bunt, lustig und hoffnungsvoll“. Zwischen Frauen und Männern bestünden fundamental entgegengesetzte Interessen, die viele deshalb nicht erkennen würden, weil Männer sie unsichtbar machten. Wenn Frauen die Macht und Dominanz hätten, stünde eine Blütezeit in Aussicht. Luise Pusch forderte – so wie es „Entnazifizierung und Entkommunisierung“ gegeben habe – eine „Entpatrifizierung“. Sie erhielt Standing ovations für ihre Aussagen.
Erika Märke, Angela Helfer und Sonja Gericke aus dem engen Gründerinnenkreis hatten zuvor ihre Absichten und den Werdegang des Projekts erläutert. Die Frauen wollen Existenzsicherung und Gewaltabbau zum Thema machen. An der Machtverteilung habe sich nichts verändert, Frust und Wut gegen das männerbeherrschte System in Ost und West bewege sie. Sie wollten nicht länger nur die Wahl haben zwischen dem „Kampf um Staatsknete für autonome Projekte“ und „gezähmter Gleichstellungspolitik“.
Den Frauenstreiktag vom 8. März 1994 werten sie als neuen Basisaufbruch, wobei sie ihn etwas erfolgreicher machten, als er war. Eine „Partei“ soll ihnen nun „Macht“ bringen. Den Unterschied zu anderen Parteien, immerhin patriarchalen Instrumenten, erklärten sie nicht. Sie wollen „keine Kompromisse mit Männern mehr machen müssen“. Den Frauen in anderen Parteien versprechen sie „Rückenwind oder eisigen Gegenwind“. „Der Feminismus“ ist ihre Weltanschauung, die endlich siegen soll. Nach dem Vorbild der Grünen wollen sie andere zwingen, das Thema aufzugreifen, als Katalysator wirken. Jutta Oesterle-Schwerin, die das Projekt als ihre absolute Sache betreibt, ruft mit gefalteten Händen: „Wir sind die neue Opposition. Weil feministische Politik besser ist als patriarchale. Wir werden Geschichte machen.“ Doch so neu ist das Thema ja nicht, und vom Glauben an den einen Feminismus hatten sich große Teile der Frauenbewegung in der jüngeren Zeit verabschiedet. Die Versammlung aber zeigte ein großes Bedürfnis nach Vereinfachung.
In fünf Stunden verabschiedeten sie dann ein Parteiprogramm, welches allerdings erst 1996 endgültig beschlossen wird. Die Geschäftsordnung war perfekt, Anträge zu ihrer Änderung sah sie nicht vor, wollten zwei Drittel der Mitfrauen keine Diskussion, so gab es auch keine. Wenn es Debatte gab, dann nur anhand konkreter inhaltlicher Änderungen. Das Präsidium führte feste Regie, und die Frauen verrichteten ihre Arbeit so diszipliniert, als hätten sie all das schon viele Male hinter sich. Wer für Differenzierung plädierte, so gegenüber dem Programmsatz, Frauen würden „stets“ unterdrückt, wurde überstimmt. Vehement wurde die Warnung zurückgewiesen, Frauen anderer Parteien zu diffamieren, da frau vielleicht einmal ein Bündnis mit ihnen wolle. Jenen wird unterstellt, „stets die Interessen der Männer in ihren Parteien vertreten zu müssen“ und „männerorientiert“ zu sein. Hier galt es offenkundig, fundamentale Identifikationsbedürfnisse zu bedienen. Als es weniger um ideologische Erkennungsmerkmale als um Sachfragen ging, entschieden sich die Frauen doch in Arbeitsgruppen für manche Korrektur.
So soll die ökonomische Entwicklung und ihre Bedeutung für Frauen genauer eingeschätzt werden, Teilzeitarbeit eventuell doch nicht nur grundsätzlich abgelehnt werden und bei der Prostitution prinzipielle Verurteilung im Lichte der Forderungen der Prostituierten selbst geprüft werden. Die Feministische Partei will mit einigen besonderen Forderungen von sich reden machen. Dazu gehören die 80-Prozent-Quotierung der Landeslisten der Parteien, die dazu führen soll, daß Frauen am Ende mit 52 Prozent im Bundestag sitzen. Der Paragraph 218 soll ersatzlos gestrichen werden. Das Sorgerecht für Kinder soll „durch Schwangerschaft und Geburt“ grundsätzlich Frauen zustehen. Männer können sich dieses Recht nur auf Antrag der Frau erwerben. Die lesbische Lebensweise wird als positive Alternative verstanden. Lehrer und Hochschullehrer sollen zur feministischen Fortbildung verpflichtet werden.
Der Parteitag endete mit der Verabschiedung der Satzung und der Wahl der „Bundessprecherinnenrunde“.Kommentar Seite 10
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