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Showdown an der Riesenzapfsäule

■ Drei Greenpeace-Aktivisten wurden bei Protestaktion an der Ölplattform Brent Spar von Shell-Mitarbeitern in Lebensgefahr gebracht / Mehrere Ankerketten von der Ölfirma gesprengt

Shetlandinseln (taz) – Gestern haben Shell-Mitarbeiter mehrere der insgesamt sechs Ketten gesprengt, mit der die Ölplattform Brent Spar bisher verankert war. Greenpeace-AktivistInnen behinderten die Arbeiten, so gut sie konnten. Sie wollen verhindern, daß die verseuchte Plattform in den Atlantik geschleppt und dort versenkt wird.

Am Samstag kam es zu einer lebensgefährlichen Situation für drei Umweltschützer, die auf einer Rettungsinsel hockten und sich an einer Ankerkette festgebunden hatten. Nach Angaben von Greenpeace rammten Shell-Mitarbeiter mit einem Schiff namens „Rembas“ mehrfach das Floß, so daß die aneinandergeketteten Umweltschützer über Bord geschleudert wurden. Wasserkanonen sprühten ununterbrochen auf sie ein, nach Shell-Angaben ein „Schutzvorhang“. In letzter Minute konnten die Aktivisten mit einem Schlauchboot leicht verletzt geborgen werden. Greenpeace hat eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung und unter Umständen wegen versuchten Totschlags angekündigt.

Die Protestaktionen dauerten den gesamten Samstag an. Am Nachmittag sprangen zwei Aktivisten ins eiskalte Wasser und hinderten die Schlepper „Smit Singapore“ und „Brenda Viking“ an ihrer weiteren Arbeit. Gegen Abend waren dann aber doch zwei Ankerketten auf den Schleppern festgemacht. Ulrich Jürgens im Lerwicker Greenpeace-Büro feiert den Tag als vollen Erfolg. „Natürlich können wir die Arbeiten nicht verhindern, Shell hat eine ganze Armada von Schiffen da draußen.“ Chris Rose von Greenpeace fügt hinzu: „Es ist obszön, mit welcher Verachtung gegenüber den meisten Nordseeanrainerstaaten Shell seine unerhörten Verklappungspläne weiterverfolgt.“

Die Vorbereitung für den Transport begann nur einen Tag nach Abschluß der Nordseeschutzkonferenz in Esbjerg. Die Mehrheit der Teilnehmerstaaten hatte dort eine Deklaration unterzeichnet, die die Verklappung von Ölplattformen als nicht akzeptabel bezeichnet und deren Entsorgung an Land empfiehlt.

Bereits seit Anfang Mai dauern die Auseinandersetzungen um das Schicksal der mit 130 Tonnen Giftmüll belasteten Plattform an. In einer spektakulären Aktion hielt Greenpeace die Plattform für 24 Tage besetzt, um ihre Versenkung zu verhindern. Statt dessen fordert die Umweltschutzorganisation die „verantwortliche Entsorgung“ aller 400 Nordseeölplattformen an Land. Im Februar dieses Jahres hatte der britische Energieminister Tom Eggar dem Shell-Konzern die Genehmigung für die Versenkung erteilt. Greenpeace sieht darin einen Präzedenzfall. Mehrere Wochen soll es dauern, bis die 14.500 Tonnen schwere Brent Spar von ihrer jetzigen Position, 190 Kilometer nordöstlich der Shetlandinseln, in ein von der britischen Regierung ausgewiesenes Tiefseegrab 250 Kilometer westlich der Äußeren Hebriden geschleppt ist. Nach dem Urteil des Ozeanographen Martin Angel wird die Versenkung vernachlässigbare Auswirkungen auf die Umwelt haben – eine Einschätzung, die Greenpeace-Mitarbeiter Simon Reddy nicht gelten läßt: „Anfangs dachten wir, die Nordsee sei tief genug, um unseren Industriemüll aufzunehmen. Aber es gibt nur eine Art, mit diesen Industrieanlagen umzugehen: sie an Land zu entsorgen.“ – „Jeder Schleppzug in diesem Ausmaß ist mit nicht geringen Risiken behaftet“, schätzt Ulrich Jürgens den Beginn der nächsten Etappe der Brent-Spar-Saga ein. „Wir werden die ganze Zeit hinter dem Schleppzug herfahren und diesen aktiv dokumentieren“, kündigt der Greenpeace-Sprecher an. Unterdessen mußten die Arbeiten infolge auffrischender Winde zunächst eingestellt werden.

Unter den 2.700 Shell-MitarbeiterInnen in Deutschland macht sich derweil Ärger breit. Betriebsräte monierten, die Werbekampagne unter dem Motto „Wir wollen etwas ändern“ verliere jede Glaubwürdigkeit. Hans-Jürgen Marter

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