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Die Wunderkammer der Renaissance

Kunst als politischer Verführungsstil: Münchens Haus der Kunst zeigt die berühmte Sammlung Farnese  ■ Von Katja Windt

Mäzenatentum ist ein altbewährtes Mittel eleganter Machtdemonstration. Weltliche wie kirchliche Oberhäupter haben es immer wieder verstanden, ihre Herrlichkeit durch Kunst in Szene zu setzen und sich gleichzeitig als Gönner feiern zu lassen. Wie keine andere hat die italienische Familie der Farnese diese Strategie vom 16. bis zum beginnenden 18. Jahrhundert erfolgreich angewandt. Noch heute verrät der Beiname „Farnese“, den unzählige Kunstwerke tragen, daß sie einst in ihrem Auftrag entstanden sind oder zumindest Teil der berühmten Sammlung waren. Darin unterscheidet sich der Fundus an Meisterwerken der Renaissance, die das Haus der Kunst in München ausstellt, kaum von heutigen Sammlerinteressen.

Begründer der Familiendynastie der Farnese ebenso wie der Kunstsammlung war der machthungrige und listige Alessandro Farnese (1468–1549), dem es 1534 gelang, als Papst Paul III. den Stuhl Petri zu erklimmen. Von hier aus ließ er seine mit einer Konkubine gezeugten Nachfahren durch skrupellose Intrigen vom niedrigen militärischen Landadel aus dem Latium zu einem der führenden Fürstenhäuser Italiens emporsteigen. Ohne Rücksicht auf Zölibat oder Erstgeburtsrecht plazierte er seine Enkel wie Figuren auf einem Schachbrett strategisch so geschickt, daß der Aufstieg der Familie garantiert war. Eigens für die Nachkommen schuf er das Herzogtum von Parma und Piacenza, er verheiratete sie mit Töchtern der führenden europäischen Herrscherhäuser Habsburg und Valois und ernannte zwei von ihnen noch im Kindesalter zu Kardinälen.

Seine unvergleichliche Sammlung von antiken Skulpturen eignete sich Paul III. auf ähnlich skrupellose Weise an. In jenen Jahren kamen in den als Steinbruch für den Neubau von St. Peter genutzten antiken Anlagen allenthalben römische Plastiken zutage. Diese ließen die Päpste seit einigen Jahren in den Hof des Vatikans bringen, wo bereits eine Reihe antiker Werke dezent auf die Parallelen zwischen dem Alten Rom und dem Neuen Rom der Päpste hinwiesen. Dabei zögerten die Kirchenoberhäupter nicht, selbst in die Rolle der neuen Cäsaren zu schlüpfen. Paul III. ging sogar noch weiter und ließ die Werke vorbei an den Sammlungen der Kurie gleich in den neuerrichteten Familienpalast bringen und dort aufstellen.

Später sammelte und orderte besonders der Enkel Pauls III., der „Gran Cardinale“ Alessandro Farnese, ganz wie die großen Renaissancefürsten Medici, Gonzaga oder Este, Kunstwerke, ohne sich als Kirchenmann von den strengen Forderungen der Gegenreformation nach Demut, Keuschheit und Armut beeindrucken zu lassen. Für ihn arbeiteten neben vielen anderen auch so bedeutende Künstler wie Michelangelo, die Gebrüder Carracci oder Guglielmo della Porta. Es gelang den Farnese sogar, den großen Tizian, der seine Unabhängigkeit nicht dem Dienste eines einzelnen Herrschers preisgeben wollte, nach Rom zu holen, um ihm dann immer neue Gemälde zu entlocken. Allein fünf seiner Porträts bilden jetzt in der Münchner Ausstellung neben anderen Werken des Meisters eine regelrechte Ahnengalerie. Über deren in diesem Zusammenhang so wichtige verwandtschaftliche Beziehungen erfährt der Besucher hier aber leider nichts. Durch eigene Aufträge, Ankäufe ganzer Sammlungen, Erbschaften, aber auch Beschlagnahmungen entstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bald eine unvergleichliche Anhäufung unterschiedlichster Kunstwerke, die von Ruhm und Reichtum der Familie kündete. Der treuergebene Bibliothekar und humanistische Berater Fulvio Orsini sicherte Qualität und wissenschaftlichen Anspruch der Neuerwerbungen. Wohl auf sein Betreiben hin wurden Teile der Sammlung sogar einem ausgewählten Publikum als „öffentliche Schule“ für humanistische Studien zugänglich gemacht und dementsprechend angeordnet.

Einen halböffentlichen Charakter erhielt auch die Sammlung der Herzöge Farnese in Parma, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts stetig anwuchs. Hier stellten die stolzen Besitzer bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgewählte Gemälde für eine eigens eingerichtete Galerie zusammen und eröffneten damit eines der ersten Museen, bei dem auch ein Katalog und lehrreiche Führungen nicht fehlten. Diesen öffentlichen musealen Anspruch bewahrte sich die Sammlung auch, nachdem sie nach dem Tod des letzten männlichen Farnese im Gefolge des Erben, Don Carlos von Bourbon, 1734 kurzerhand nach Neapel verschickt worden war. Ein Inventar dieses Transports verzeichnete zu dieser Zeit über 3.000 Werke.

Die Sammlung vereinte damals Kunstwerke unterschiedlichster Art, wie italienische und niederländische Gemälde und Zeichnungen aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert, kunstgewerbliche Gegenstände, antike Medaillen und Skulpturen, Prunkwaffen, aber auch exotische Kuriositäten ferner Länder und Absonderlichkeiten der Natur. Wie für eine Wunderkammer der Renaissance scheinen die Farnese zielsicher alles zusammengetragen zu haben, was rar, kostbar und außergewöhnlich war. Dabei leitete sie neben dem recht guten Gespür für die zeitgenössische Kunst auch ein enzyklopädischer Anspruch auf Universalität. Kopien bedeutender Werke, die partout nicht zu erwerben waren, belegen zudem einen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch allein die von dem Humanisten Fulvio Orsini angekauften Werke scheinen nach präzisem Sammlungsinteresse ausgewählt worden zu sein. – Über 300 Exponate wurden jetzt nach jahrelangen internationalen Studien der Sammlungsgeschichte als anschaulicher Querschnitt zusammengetragen und zunächst in einem Palast der Farnese in Colorno bei Parma präsentiert. Neben den vielen Gemälden sind im Haus der Kunst auch bedeutende antike Skulpturen und feine Goldschmiedearbeiten vor einem warmen rotbraunen Grund zu sehen. Diese glückliche Wahl des Hintergrunds läßt die Kunstwerke wie Schmuckstücken erscheinen und verleiht dem protzigen Nazibau Wärme und Eleganz.

Um dem deutschen Publikum einen Bezugspunkt zu bieten, verweist Christoph Vitali, Leiter im Münchner Haus der Kunst, gerne auf die italienischen Meisterwerke der Renaissance in der Alten Pinakothek aus der Sammlung der Wittelsbacher, welche zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Ludwig I. angelegt wurde. Doch sind auch Ruhm und Qualität der Exponate allein Grund genug für einen Besuch der Ausstellung. Die beeindruckende Sammlungsgeschichte ist aufgrund fehlender Hintergrundinformatinen bedauerlicherweise nur zu erahnen. Dabei sind die Umstände, unter denen die Werke in den Besitz der Farnese gelangt sind, oft spannend und aufschlußreich. Diese Angaben liefert der umfangreiche Katalog, allerdings in einer Ausführlichkeit, die von einem interessierten Laien kaum zu bewältigen ist. Leider ist dieser dickleibigen Frucht langjähriger Forschung vor lauter Einzelaspekten etwas der große Zusammenhang abhanden gekommen.

„Der Glanz der Farnese. Kunst und Sammelleidenschaft in der Renaissance“. Bis zum 29. August im Haus der Kunst, München. Der gleichnamige Katalog ist bei Electa erschienen (533 Seiten, 69 DM).

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