: Parlaments-Inzest bei Renten
■ Abgeordnetenpension soll durch die rechtliche Hintertür
Die umstrittene Parlamentarierrente für Ostabgeordnete wird zum inzestuösen Familienfall. Zunächst arbeitete der Wissenschaftliche Parlaments-Dienst einen interfraktionellen Änderungsantrag zum Landesabgeordnetengesetz aus. Jetzt beauftragte der Innenausschuß dieselbe Abteilung außerdem mit der Klärung, ob das vorgeschlagene Vorgehen rechtmäßig ist.
Parlamentspräsidentin Hanna- Renate Laurien (CDU) sieht offenbar kein Problem darin, daß der Parlaments-Dienst rechtlich prüft, was er selbst formuliert hat. Der zuständige Abteilungsleiter Roland Haase sei der „objektivste Mensch der Welt“, befand jedenfalls Laurien auf der letzten Sitzung des Ältestenrats. Insofern sei der Vorgang auch kein Problem.
Der Verwaltung des Abgeordnetenhauses ist der Vorgang offensichtlich unangenehem. Trotz mehrmaliger Nachfragen wollte Lauriens Sprecher Sassenroth keine Details beantworten. Er halte sich „strikt“ an seine Anweisung. Und die lautete gestern formelhaft: „Über Arbeitsaufteilungen in unserem Hause geben wir grundsätzlich keine Auskunft.“
Mit der von CDU und SPD befürworteten Gesetzesänderung, die durch einen Gruppenantrag von 67 Abgeordneten ins Parlament eingebracht wurde und derzeit beraten wird, sollen Ostabgeordnete nachträglich in den vollen Genuß einer Altersversorgung kommen. Nach derzeitiger Rechtslage erreichen 45 Parlamentarier aus dem Osten mit dem Ende dieser Legislaturperiode nicht die vorgeschriebene siebenjährige Parlamentszugehörigkeit. Mit einem Trick soll nun deren achtmonatige Tätigkeit in der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung von 1990 mit der 11. Wahlperiode des Westberliner Abgeordnetenhauses gleichgesetzt werden. Zusammen mit der jetzigen Wahlperiode hätten die betroffenen Ostparlamentarier damit die siebenjährige Mindestgrenze mühelos erreicht. Vorteil: Ab dem 63. Lebensjahr erhielten sie dann ebenfalls 45 Prozent der Diäten, derzeit rund 2.241 Mark brutto.
Die Bündnisgrünen wollen die Verquickung des Wissenschaftlichen Parlaments-Dienstes nicht auf sich beruhen lassen. Am Montag soll das Thema auf der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses zur Sprache gebracht werden. „Das ist doch die Dorfrichter-Adam-Methode“, empört sich der bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland. Für den Fall, daß das vom Innenausschuß in Auftrag gegebene Gutachten die Gesetzesänderung für zulässig halten sollte, will die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast im Rechtsausschuß eine Anhörung beantragen. Severin Weiland
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