■ Zum Erfolg der Greenpeace-Kampagne gegen Shell: Umweltengagement ohne Unkosten
Selbst Greenpeace-AktivistInnen waren baff angesichts des eigenen Erfolgs. Die Kampagne gegen die Versenkung der Ölplattform Brent Spar schlägt vor allem in Deutschland derart ein, daß sogar konservative PolitikerInnen, von Umweltministerin Angela Merkel über FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle bis zu CSU-Chef Theo Waigel, auf den fahrenden Zug – oder sollte man sagen: die schwimmende Plattform – aufspringen und gegen die Versenkung der Sondermülldeponie zu Wasser protestieren. Hunderte erboster PrivatkundInnen lassen bei der Deutschen Shell die Telefone heißlaufen. Ein Shell-Boykott findet bis hin zu einer veritablen Umweltministerin, Edda Müller aus Kiel, Resonanz. Sogar die Bild- Zeitung steigt in die Kampagne ein. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an Greenpeace, das die Praktiken von Ölkonzernen so wirkungsvoll ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat.
Doch seltsam: CDU/CSU/FDP-PolitikerInnen, die die Grünen glatt rechts liegen lassen? Autofahrer als wahrhafte Kämpfer für den Erhalt der Lebensgrundlagen? Ebenfalls verwunderlich: 130 Tonnen Ölreste und Giftmüll, die die Brent Spar mit sich in die Tiefe reißen wird, rufen da einen mittleren Aufruhr hervor. Aber wie viele von den plötzlichen UmweltschützerInnen sind schon auf die Barrikaden gestiegen wegen der 100.000 Tonnen Altöl, die Schiffe alljährlich in die Nordsee ablassen? Oder wegen der riesigen Mengen Öl und Chemikalien, die durch die ganz alltägliche Förderung unseres Benzins und Heizöls ins Wasser gelangen? Die BRD ist bekanntlich kein Ölförderland. Warum also jetzt diese Rebellion, die die mittelgroße Umweltsauerei einer ausländischen Firma in fremden Gewässern gerade hierzulande hervorruft?
In Deutschland gehört es inzwischen zum guten Ton, ein bißchen die Umwelt zu schützen. AutofahrerInnen und konservative PolitikerInnen vor allem gehören zu denjenigen, die da in letzter Zeit einige Angriffe hinnehmen mußten. Hier ist jetzt ihre Chance, endlich das ramponierte Image aufzupolieren, ohne sich dabei weh zu tun. Die deutschen UmweltpolitikerInnen haben ja leider, leider nichts mitzureden, wenn die britische Regierung einer britischen Firma die Versenkung einer Ölplattform genehmigt. Die deutschen AutofahrerInnen brauchen nur eine Tankstelle weiterzufahren und können gleichzeitig den Fahrgenuß und die Freude über das eigene Umweltengagement genießen. Sage noch einer, die Deutschen seien nicht WeltmeisterInnen im Umweltschutz.
Ich rufe zum Boykott des je eigenen Autos als erste konsequente Maßnahme zum Schutz der Nordsee auf. Nur fürchte ich, daß ich mit dieser Kampagne nicht annährend so erfolgreich sein werde wie Greenpeace mit der seinen. Nicola Liebert
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