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Isralische Siedler als Hausbesetzer

Aus Protest gegen eine Ausweitung der palästinensischen Autonomie okkupieren Israelis eine leerstehende Siedlung in der Westbank /Die Behörden schauen tatenlos zu  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mit einer Häuserbesetzung haben gestern in der israelisch besetzten Westbank jüdische Siedler gegen die geplante Ausweitung der palästinensischen Autonomie protestiert. Hunderte Siedler erschienen vor der zu Intifadazeiten verlassenen Siedlung Netafim und halfen drei Familien und 14 Einzelpersonen beim Einzug in insgesamt 13 leerstehende und zum Teil zerfallene Gebäude. Notwendige Reparaturen der Häuser wurden sofort von Handwerkern durchgeführt, für Wasser- und Elektrizitätsanschluß war ebenfalls gesorgt. Schließlich wurde sogar in Windeseile eine provisorische Straße in die benachbarte Siedlung Barkan fertiggestellt.

Die bewaffneten Siedler haben langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Blitzkolonisierung. Sie erschienen mit aller notwendigen Ausrüstung und gingen ans Werk, als ob es sich um eine Militäraktion handelte. Kommandant der Operation war Aron Domb, Vorsitzender des Siedlerrats in der Westbank „Jehuda und Schomron“. Der neubezogenen Siedlung wurde „Maaleh Jisrael“ (Hügel Israels) genannt.

Am Ort anwesende Soldaten und Polizisten sahen tatenlos zu. Sprecher der Siedler wiesen auf die angebliche Legalität der Aktion hin, bei der es um „jüdischen Besitz“ ginge. Die neuen Bewohner der Häuser sind nach eigenen Angaben entweder deren Eigentümer oder Personen, die von diesen die Erlaubnis zum Einzug bekommen haben. Von der israelischen Regierung hieß es gestern, die Rechtmäßigkeit der Aktion werde geprüft. Feisal Husseini, der palästinensische Beauftragte für Jerusalem, protestierte bei den Ostjerusalemer Konsulaten der USA und einiger europäischer Staaten gegen die Provokation der Siedler und verlangte, daß die israelische Regierung für deren sofortigen Abzug sorge.

Die Siedler protestieren gegen den im Abkommen von Oslo vorgesehen Abzug israelischer Soldaten aus palästinensischen Ballungsgebieten in der Westbank. Verhandlungen über diese weitere Phase der palästinensischen Autonomie sollten – mit einem Jahr Verspätung – am 1. Juli beginnen. Angesichts israelisch-palästinensischer Differenzen erscheint die Einhaltung des Termins aber immer fraglicher. Israelische Regierungspolitiker stellen das Datum offen in Frage.

Die mögliche Verzögerung hindert die Siedler in der Westbank jedoch nicht am Widerstand. Unter anderem haben Siedler in den letzten Wochen ohne Erlaubnis der Behörden eigene „strategische Sicherheitsstraßen“ in der Westbank angelegt. Nach Aussage der Siedler geschieht dies im Rahmen von Arbeiten zur Erweiterung bestehender Siedlungen. Gleichzeitig hätten sie das Ziel, die von der Regierung geplanten Änderungen der Sicherheitsordnung in der Westbank zu durchkreuzen. Unerklärt bleibt, wie derlei Aktivitäten ohne das Mitwissen der Besatzungsbehörden durchführbar sind.

Geht es nach den Siedlern, dann wird spätestens in 14 Tagen eine massive Widerstandsfront gegen die Erweiterung der palästinensischen Autonomie entstehen. Zu dem Zeitpunkt haben in Israel Schulferien begonnen, und der erwünschte Nachschub von Reserven aus dem israelischen Kernland wird leichter organisierbar. Zudem besteht die Absicht, den Siedlerprotest in der Westbank in den kommenden Wochen mit ähnlich massiven Protestaktionen der Gegner eines zukünftigen Rückzugs vom Golan zu koordinieren.

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