: Handgeschöpftes Lesefutter
■ Bremer Buchlese: Mit einem anspruchsvollen literarischen Programm versucht die Achilla Presse den Einstieg in die Verlagsszene / Auszeichnungen rollen schon an, nur der Rubel zögert noch
„Achilla-Presse“, mit so einem Namen verschafft man sich den ersten Platz in jeder alphabethisch geordneten Liste. Ebenso anspruchsvoll wie der Name ist auch das Programm des kleinen Bremer Verlages, der sich ganz der Belletristik verschrieben hat. Schwer tut man sich allerdings in der Bremerhavener Straße in Walle bei dem Versuch, dem Rest der Welt den eigenen Kunstwillen nahezubringen. Aber auch bei dieser Mühseligkeit steht tapfer Achilla zur Seite, der Bettelmönch aus dem Roman „Die Domherren“ von Nikolaj Lesskow. Werden die Bremer Büchernarren der Achilla Presse – wie ihr Namensgeber aus dem Roman – auch handgreiflich beim Vertrieb der Bücher? Axel Stiehler vom Bremer Zwei-Mann-Verlag: “Zu Anfang hat man uns offensichtlich für verrückt gehalten. Als wir mit unserem allerersten und einzigen Buch auftauchten, hat uns natürlich keiner ernst genommen. Da wird man von den Buchhändlern schlicht ignoriert.“
Für den besonderen Weg steht auch der zweite Teil im Namen: 'Presse', wo andere sich ,Verlag' nennen. “Früher war ein Verleger auch der Drucker seiner Bücher. Bei den meisten Verlagen ist das heute ganz anders. Da sitzen eher Kaufleute, und natürlich wird in solch einem Verlag auch die ganze Herstellung weggegeben.“
Anders bei der Achilla Presse. Axel Stiehler, der heute Graphik an der Bremer HfK studiert, wußte schon als Azubi bei der Ortskrankenkasse: Druckerschwärze, Bleisatz und der Duft von Buchbinderleim, das ist es. Die rechnerische Abwicklung von Bandscheibenvorfällen kann ihm für den Rest des Lebens gestohlen bleiben. Die Konsequenz: eine Lehre als Drucker, dann die Verlagsgründung. „Ab dem dritten Band haben wir alles selbst gemacht.“ Auch Mirko Schädel, Freund, Kollege und Partner von Stiehler, ist gelernter Setzer. Da wundert es kaum, daß beiden gerade der sinnliche Entstehungsprozeß des Buches am Herzen liegt. Am Ende sieht man das den Bücher auch an: solides schweres Papier, schöne Drucktypen und ein ausgesprochen elegantes Logo in Stile der 20er Jahre.
Aller Anfang war in Ostfriesland. Sogar in Jever führt nämlich ein Weg zum Gedruckten. Anfang der 80er hatte ein Schulfreund ein Buch über seine WG-Erfahrungen auf dem Lande geschrieben. Andere Verleger, winkten ab, oder wollten 10.000 Mark Unkostenbeteiligung. Die Achilla Presse nicht und kam so zu ihrem ersten Buch. Auch der zweite Band bleibt noch im bierschwangeren Dunstkreis Jevers. Ein weiterer Klassenkamerad empfahl seine Großtante Johanna Moosdorf. Ihre Erzählung „Die lange Nacht“ wird dann der erste erfolgreiche Titel der Achilla Presse.
Mittlerweile ist der kleine Bremer Verlag erwachsen geworden. Da lockt die große weite Welt, und zu den Autoren aus Jever gesellen Mark Twain, Robert Louis Stevenson und Sherwood Anderson. Achilla macht auch bei der Ausgrabung unveröffentlichter Texte gewaltig Punkte. „Mirko ist eigentlich ständig in irgendwelchen Antiquariaten und liest auch kiloweise alte Sachen. Wir versuchen dann raus zukriegen, warum man das heute nicht mehr kriegt.“
Als die beiden feststellten, daß die Briefe von Sherwood Anderson an seinen spätere Frau Eleonora noch nicht in Deutsch erschienen waren, haben sie nicht lange gezögert, die auch übersetzen zu lassen. „Obgleich wir uns das eigentlich nicht leisten können.“
Woher kommt dann das Geld? Zumindest nicht aus dem Erlös der paar verkauften Bücher. Doch über ihr sehr privates Mäzenatentum schweigen sich die Büchermacher lieber aus. In der Hamburger Kulturbehörde hat man allerdings die Qualitäten der Achilla Presse erkannt und eine mit 10.000 Mark dotierte Prämie für junge Verlage verliehen. Daß der Verlag seinen Sitz in Bremen hat scheint die Hamburger dabei nicht gestört zu haben.
Nach den mühseligen Anfängen des Zwei-Mann-Verlages mit dem Ein-Buch-Programm haben Stiehler und Schädel sich jetzt entschieden, in die Offensive zu gehen: 23 Titel weist der neue, auch optisch ansprechende Verlagskatalog aus, allein zwölf davon entstehen in diesem Jahr. Das Endziel der Spurtstrecke: die Frankfurter Buchmesse, Leistungsschau der deutschen Bücherhersteller. „Wer da hin will braucht ein richtiges Profil, das entsteht jetzt bei uns.“
Doch doch nicht nur mit großen alten Herren der Literaturgeschichte kann man das Image aufpolieren, Aktuelles erfüllt die gleiche Funktion, nur ist es der schwierigere Weg. Unter den Titel des Verlagsprogramms befinden sich allein drei junge Autorinnen. Karen Duve gräbt sich „Im tiefen Schnee ein stilles Heim.“, Naia Marie Aidt aus Schweden enträtselt „Das Wasserzeichen“ und Bridget O–Conner verkündet in ihren Kurzgeschichten „Hier kommt John“. „Schwieriger geht's kaum“, gibt Axel Stiehlke zu. Unbekannte Autoren in einem unbekannten Verlag herauszubringen, das sei nicht gerade der bequeme Weg. Aber: „Wir trauen uns jetzt“. Susanne Raubold
Die Bücher der Achilla Presse halten die Buchhandlungen Wassmann und Geist vorrätig.
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