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■ DaumenkinoDazed and Confused

„In den 70ern wird nicht viel los sein“, prognostizierte in den wilden 60er Jahren weise ein amerikanischer Senator. Richard Linklater scheint diese These in seinem zweiten Film bestätigen zu wollen. Zwischen dem Debütfilm Slacker (1989), der uns dankenswerterweise mit dem Etikett für die herumhängende Generation X beliefert hatte, und der Living-Light- Romanze Before Sunrise (1994) entstand 1993 gleichsam als Intermezzo zum historischen Rückblick der Seventies-Revival-Film Dazed and Confused. Der Titel besagt soviel wie „ziemlich verwirrt“ und genau das sind die über 20 Hauptcharaktere in diesem kulturarchivarischen American Graffiti der heranwachsenden Slackergeneration. Ohne jede Nostalgie blickt der Regisseur/Autor auf die espritlose Zeit zurück, genauer gesagt auf 1976 – als Hendrix, Joplin und Morrison längst dahingegangen waren und mit ihnen der Traum einer von gesellschaftlichen und sexuellen Zwängen befreiten Jugend. Auch die Verve ist tot, übrig sind Kids, die sich unter angepinnten Starfotos genüßlich mit Pot und Pattex zudröhnen. „School's out“ meldet dazu Alice Cooper. Entsprechend begehen Linklaters Highschool-Boys den Ferienbeginn an diesem schalen Frühlingsnachmittag in einer texanischen Kleinstadt mit wüsten Initiationsriten für die Freshmen, (in der Regel Schnauze voll, für die Mädels eine Schleim-Dusche), ziellosem Cruisen mit Papas Pontiac, geklautem Bier und jeder Menge Geschwalle, das deutlich den gestiegenen Testosteronpegel verrät. Erste und zum Sterben langweilige Versuche zum Freien! Die Mädels zwängen ihre Brüstchen in zu enge Blumenmusterblusen und ziehen sich gegenseitig den Zipverschluß der knallengen Jeans mit der Kneifzange zu. Alles cool, oder? Man fragt sich allerdings etwas beunruhigt, ob nur die 70er so genuin seltsam und peinlich waren (die schillernden Trashtrends der Zeit sind es allemal), oder ob die 17jährigen jeder Dekade in dieser Suppe aus unproduktiver Ziel- und scheinbarer Chancenlosigkeit zu schwimmen haben. Eben slack. Larry Clark hat jedenfalls vor zwei Wochen in Cannes den Gegenbeweis angetreten. Seine New Yorker „Kids“ der 90er sind vor allem rasante kleine Saububen. Hier darf der Sex, um den sich bei den Youngsters nunmal alles dreht, auch gezeigt werden. Sogar unsafer, trotz Aids. Verglichen damit wirken Linklaters Heranwachsende wie ein Haufen amorpher, geist- und saftloser Weicheier, die – Vorteil ihrer Zeit – noch optimistisch der Reifung entgegenschlafwandeln. Wie gut, daß die 70er vorbei sind. Wie gut, daß man nicht mehr 17 ist. Carola Feddersen

„Dazed and Confused“, Regie: Richard Linklater. Mit: Jason London, Wiley Wiggins. Kamera: Lee Daniel. Musik: Aerosmith, Bob Dylan, Kiss, Lynyrd Skynyd, ZZ Top. USA 1993, 100 Min.

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