: USA vor Prozeßlawine
■ Anwälte profitieren am meisten vom Gerichtsurteil zu „affirmative action“
Washington (wps/taz) – Einen Tag nach dem Urteil des Obersten Gerichts der USA zu sogenannten „affirmative action“-Programmen, mit denen der Staat systematisch Angehörige benachteiligter Minderheiten bei der Job- und Auftragsvergabe bevorzugt, herrschte noch Konfusion über die Folgen des Urteils. Das Gericht hatte einem weißen Unternehmer recht gegeben und gesagt, Antidiskriminierungsprogramme dürften nicht auf einer allgemeinen Annahme von Diskriminierung beruhen, sondern auf einer im einzelnen beweisbaren Ungerechtigkeit. Nun jubeln die einen, das Gericht habe die Frage der Rechtmäßigkeit von „affirmative action“ bewußt offengelassen, während die anderen den Richterspruch als ersten Erfolg im Kampf gegen Antidiskriminierungsgesetze werten.
US-Präsident Bill Clinton schlug sich auf die Seite der Befürworter: „Das Oberste Gericht hat die Hürde heraufgesetzt, aber sie ist nicht unüberwindbar“, sagte er. „Ich habe immer an die Notwendigkeit von affirmative action geglaubt.“
Doch zunächst einmal wird alles ganz kompliziert. Denn die Neurelegung heißt, daß gegen jede Anwendung von „affirmative action“ Klage eingereicht werden kann von Bürgern, die sich durch die Bevorzugung eines Minderheitenangehörigen diskriminiert fühlen. Die Folgen laut Rechtsprofessor Douglas Kmiec: Schwarze Unternehmer, die unter Inanspruchnahme von „affirmative action“ eine öffentliche Ausschreibung gewinnen, müssen von jetzt an vor Gericht beweisen können, daß statistisch gesehen Schwarze zu wenig Aufträge im fraglichen Sektor bekommen haben. Andere Juristen weisen aber darauf hin, daß der Richterspruch es nicht nur den Befürwortern, sondern auch den Gegnern von „affirmative action“ schwerer macht. Denn die Einzelfallprüfung heißt eben auch, daß „affirmative action“-Programme nicht einfach abgeschafft werden können, wie es Teile der Rechten fordern, sondern daß man sie einzeln anfechten muß.
So reiben sich jetzt vor allem die Rechtsanwälte die Hände. Und der schwarze Fernsehunternehmer Robert Johnson hat die hundert größten von Schwarzen geführten US-Unternehmen bereits aufgefordert, jeweils 5.000 Dollar zu einem neuen Prozeßkostenfonds beizusteuern. D.J.
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