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„Es ist eine Art von Poker, ein Muskelspiel“

■ Unsere Korrespondentin hat den französischen Greenpeace-Sprecher Jean-Luc Thierry, der mit der „Rainbow Warrior II“ ins Moruroa-Atoll fährt, per Funktelefon erreicht

Vor zehn Jahren verübten Agenten des französischen Geheimdienstes einen Anschlag auf das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“, das im Hafen von Auckland lag. Ein Besatzungsmitglied kam dabei ums Leben. Die „Rainbow Warrior“ hatte zuvor mit friedlichen Protesten auf die Atomtests im Pazifik aufmerksam gemacht. Vorgestern nun, einen Tag vor Chiracs Pressekonferenz, ist das Nachfolgeschiff „Rainbow Warrior II“ in Auckland in See gestochen – auf dem Weg ins Moruroa-Atoll.

taz: Wo erreichte Sie die Nachricht, daß Chirac die Atomtests wiederaufnehmen will?

Jean-Luc Thierry: In der Maumatauri-Bucht, wo wir vor zehn Jahren die Reste der „Rainbow- Warrior“ versenkt haben – eine Stätte mit traditioneller Bedeutung für die Maori, 100 Kilometer nördlich von Auckland. Ein Denkmal auf einem Hügel erinnert an das Attentat. Am Tag vor Chiracs Erklärung sind wir auf diesem Hügel von Maori empfangen worden.

Warum hat Chirac seine Pressekonferenz gerade jetzt gegeben?

Es ist äußerst seltsam, daß er so etwas zwischen zwei Wahlgängen (der Kommunalwahl, d. Red.) macht und am Vortag eines Besuchs bei Bill Clinton. Andererseits ist es gut gespielt, es soll jede interne und externe Opposition brechen, bevor sie sich entwickeln kann. Es ist eine Art von Poker, ein Muskelspiel nach der Art von Chirac. Er liebt so etwas.

Die „Rainbow Warrior II“ ist bereits Ende Mai – als sich die Wende der französischen Atompolitik andeutete – in die Region gefahren. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Wir werden wie geplant in Richtung Moruroa fahren. Da es jetzt ein Datum für die Wiederaufnahme der Tests gibt, wollen wir vorher in Papeete landen, um unsere tahitianischen Kontakte zu intensivieren.

Wie lange wollen Sie in der Region bleiben?

Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Vor Ort werden wir versuchen, den Ablaufplan der Militärs in Erfahrung zu bringen, um zu sehen, ob das Datum September stimmt. Dann gibt es eine Menge möglicher Szenarios, um gegen die Tests zu protestieren – wie immer gewaltlos. Entweder bleiben wir an Ort und Stelle, oder wir lassen andere Greenpeace-Boote nachkommen. Jedenfalls werden in Tahiti noch mindestens zwei Gäste an Bord kommen, der ehemalige Bischof von Evreux, Monseigneur Gaillot, und Oscar Temaro, der Führer der tahitischen Unabhängigkeitsbewegung.

Welche regionalen Unterstützer haben Sie?

An erster Stelle die Talini-Partei für die Unabhängigkeit Tahitis. Aber dann gibt es auch eine wichtige neue Entwicklung. Der Repräsentant des französischen Präsidenten auf der Insel, der Präsident der Territorialregierung, Gaston Flosse, ein Neogaullist wie Chirac, hat Position gegen Versuche bezogen. Vor ein paar Tagen war er noch in Paris. Natürlich hat er sich da diplomatisch verhalten. Aber er betonte auch, daß er als Polynesier gegen die Versuche sei.

Wie groß ist die Besatzung der „Rainbow Warrior II“?

Wir sind 22 Personen, darunter drei Franzosen und acht andere Nationalitäten – Amerikaner, Neuseeländer, Italiener, Leute von den Salomon- und Fidschi-Inseln ... Aber leider keine Deutschen.

Befürchten Sie – nach dem Attentat auf die erste „Rainbow Warrior“ – neue französische Gewaltakte gegen Greenpeace?

Schwer zu sagen. Einerseits spürt die Regierung immer noch die Folgen dessen, was vor zehn Jahren passiert ist. Deswegen muß sie um die Sicherheit der Leute hier bemüht sein. Andererseits kann Chirac sehr rabiat sein.

Was könnte die Wiederaufnahme der französischen Atomtests noch verhindern?

Druck. Nationaler und internationaler. Deutschland ist dabei sehr wichtig. Die Reaktionen dort wiegen schwer in Frankreich.

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