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■ Das PortraitAfrika-Aufklärer

Der neue Präsident Martimilli Lopez machte sich schnell an die Arbeit. „Er trommelte 130 Nationale und 15 Exilpräsidenten zusammen, nun werdet ihr mal erleben, wie man Politik macht. Er diktierte unserem Bruder Carvanso die fünfundsiebzig Artikel seiner Satzung: Artikel 1: das Vaterland soll viereckig sein; Artikel 2: nieder mit der Demagogie; Artikel 3: Mama National ist unser aller Mutter; Artikel 4: keine Streiks und keinen Seich; Artikel 5: nieder mit der Todesstrafe; Artikel 6: ich bin der Präsident, aber jagt mich zum Teufel wann ihr wollt...“

Der Held von Sony Labou Tansis Roman „L'Etat honteux“ (“Die heillose Verfassung“), geschrieben 1980, ist den gutmütigen Brutaloherrschern Afrikas sehr ähnlich. Und das Buch nimmt auch spätere afrikanische Schwierigkeiten vorweg – von der Einsamkeit der Diktatoren (“Oh dieses arschblöde Land, wo der Präsident alles selbst machen muß“) bis zum unregulierten Mehrparteiensystem (“Ich kapier meine Leute hier nicht: jeder glaubt, er sei der Präsident! nur zur Erinnerung: der Präsident bin ich. Nein nein nein, jeder tut als wär er ich, aber wie aber warum? ihr könntet mich wenigstens vorher fragen“).

Kein Wunder, daß Sony Labou Tansi stets Probleme mit den Herrschern seines heimatlichen Kongo hatte. Indem der 1947 geborene Schriftsteller sein Französisch – die Sprache, in der er „vergewaltigt“ worden ist, sagt er – mit afrikanischem Großstadtslang bereicherte, erhielten seine Romane eine zynische Schärfe, die ihm rasch Weltruhm verschaffte. Bei seiner Theaterarbeit in Brazzaville betätigte er sich auch als Aufklärer, der Afrikas „Identitätsprobleme“ überwinden helfen wollte: „Bis jetzt waren wir Afrikaner sehr archaisch“, war seine Überzeugung. Mit den 1992 frei gewählten neuen Herren Kongos verstand er sich schlecht, weil auch sie dem Tribalismus verfielen.

Seit 1992 saß Sony Labou Tansi als Oppositioneller im ersten freigewählten Parlament des Landes und mußte danach um sein Leben fürchten, während mitten in der Hauptstadt alte und neue Herren ihren Machtkampf mit Panzern und Kanonen austrugen. Das Außenministerium enthielt ihm seinen Paß vor, und ausreisen durfte er erst Ende 1994. Im April 1995 kehrte der 48jährige schwer krank in seine Heimat zurück. Von Demokraten ebenso verfolgt wie von Diktatoren, ist Sony Labou Tansi am Mittwoch in Brazzaville gestorben. Dominic Johnson

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