: Napoleon erliegt dem Frittendunst
■ Im belgischen Waterloo trafen sich 2.500 Hobbysoldaten
Waterloo (taz) – Die Schlacht von Waterloo mußte ohne Napoleon auskommen. Seine Soldaten hatten gerade Aufstellung genommen, da sank der inzwischen 60jährige französische Kaiser nach einer Herzattacke ins regendurchweichte Gras. Helfer des belgischen Roten Kreuzes brachten ihn sofort in eine Klinik.
Für den Ablauf der Schlacht war das ohne Bedeutung. Seit 180 Jahren ist bekannt, daß Napoleons Truppen zuerst die von Wellington einkesseln und dann rücklings von den Preußen vernichtet werden. Das hat sich auch bei den 2.500 Hobbysoldaten herumgesprochen, die am Sonntag wieder auf dem historischen Schlachtfeld in historischen Klamotten mit historischen Kanonen Krieg spielten. Sie hielten sich sklavisch an die alten Vorgaben, was dem ganzen etwas die Spannung nahm.
Wahrscheinlich hat den Kaiser der Frittendunst fertiggemacht, der schon seit den frühen Morgenstunden über der Schlammwüste von Waterloo hing. Noch vor den ersten Kriegern hatten die Imbißbuden ihre Zelte aufgeschlagen. Ob die belgische Nationalspeise vor 180 Jahren schon eine kriegsentscheidende Rolle spielte, geht auch aus der „Schlacht von Waterloo im Zeichentrick“ nicht hervor, die in einem nahen Bauernhof ausgestellt wird. Jedenfalls soll Napoleon damals das Schlachtfeld mit schweren Magenbeschwerden vorzeitig Richtung Paris verlassen haben. Unwahrscheinlich ist allerdings, daß die Schlacht 1815 schon von Mc Donalds gesponsert wurde. Doch kleine Abweichungen vom Original sind nicht zu vermeiden, schließlich fallen erhebliche Reisekosten an, wenn sich nostalgische Militaristen aller Länder vereinigen. Bis aus Rußland und Kanada waren die Trachtenvereine angereist, um mit Säbel und Schreckschußflinten aufeinander loszugehen.
Trotzdem wirken die 2.500 fesch herausgeputzten Uniformkarnevalisten manchmal etwas verloren auf dem riesigen Gelände, das sich Napoleon, Wellington und Blücher damals für ihre insgesamt 190.000 Soldaten ausgesucht hatten. Damit das Feld am Ende nicht völlig verödet aussieht, wurde auf die Darstellung von Toten und Verletzten verzichtet. Was eine Gruppe von Holländern zu der Bemerkung veranlaßte, daß es vor allem für die Kinder sehr langweilig sei, wenn soviel geschossen, aber nie jemand getroffen werde.
Alle fünf Jahre soll das ohrenbetäubende Spektakel wiederholt werden, das haben die umliegenden Gemeinden beschlossen. So soll Europa daran erinnert werden, heißt es in der Broschüre des Fremdenverkehrsverbandes, daß es einmal auf Gewalt aufgebaut war und daß es doch viel besser sei, keine Kriege mehr zu führen.
Die meisten der 50.000 Zuschauer hatten allerdings für solch feinsinnige Überlegungen gar keine Zeit, weil sie damit beschäftigt waren, unter höllischem Kanonenlärm ihre schreienden Kinder zu identifizieren, die sich im kniehohen Schlamm ununterscheidbar gemacht hatten. Zumindest das Regenwetter hatte sich exakt an die historischen Vorgaben gehalten. Alois Berger
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