: PDSler streiten um Tolerierungsfrage
■ Landesvorsitzende Petra Pau stellt Begriff der "bedingungslosen Tolerierung" in Frage / Hintergrund sind Proteste aus den Bezirken / Eine mögliche rot-grüne Minderheitsregierung könnte damit scheitern
Es wird immer unsicherer, ob die PDS nach den Wahlen am 22. Oktober eine rot-grüne Minderheitsregierung toleriert. Wollte die Landesvorsitzende Petra Pau bislang einen rot-grünen Senat „bedingungslos“ unterstützen – sollte dessen Stimmenmehrheit nicht genügen –, ist sie inzwischen von dieser Aussage abgerückt. „Ich schließe nicht aus“, sagte sie auf Anfrage, „daß der Begriff ,bedingungslos‘ geändert wird.“ Auf dem Landesparteitag Mitte Mai war die Parteiführung mit dem Antrag gescheitert, daß der Landesausschuß und die Fraktion nach der Abgeordnetenhauswahl über eine Tolerierung entscheiden sollen. Die Parteitagsdelegierten hatten dies abgelehnt. Sie wollen selbst entscheiden.
Kommunalpolitiker wie der Marzahner Bezirksvorsitzende Wolfgang Brauer lehnen eine bedingungslose Tolerierung ab. Es müsse vielmehr auf den künftigen Senat und dessen Haushalt ankommen, meinte Brauer gegenüber der taz. Die Sozialdemokratin Angelika Barbe „mit ihrem pathologischen Haß gegen alles, was an die DDR erinnert“, dürfte auf keinen Fall Senatorin werden. Bei Engpässen im Finanzhaushalt sollte nicht im Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich gespart werden. Wenn zuvor die PDS Rot-Grün bedingungslos zugestimmt habe, müßten alle PDS-Stadträte selbst dann vier Jahre lang „die Schnauze halten“, wenn sie von den Kürzungen betroffen wären. „Damit machen wir uns überflüssig“, befürchtete Brauer.
Günter Kolodziej, Pressesprecher der Fraktion, hält den Begriff „bedingungslos“ ebenfalls für falsch. Man wolle einer rot-grünen Minderheitsregierung doch keinen Blankoscheck ausstellen, sondern in die „größtmögliche sachliche Offensive“ gehen, um Alternativen aufzuzeigen. Kolodziej wandte sich allerdings dagegen, Senatoren abzulehnen oder den Haushaltsentwurf in Frage zu stellen. Die PDS wolle unbedingt eine Große Koalition verhindern, und deshalb dürfe sie eine rot-grüne Minderheitsregierung nicht scheitern lassen.
Der Abgeordnete Harald Wolf, auf Platz vier der Landesliste, wundert sich nicht über die Debatte: „Die Stille war verdächtig.“ Trotz der Tolerierung von Rot-Grün in Sachsen-Anhalt sei über die damit verbundenen Widersprüche in Berlin kaum diskutiert worden. Wolf gehört „zur klaren Mehrheit“ der „bedingungslosen Tolerierer“. Denn wer Bedingungen stelle, „kann nur verlieren“. Die PDS würde anfangs mit radikalen Forderungen „vermeintlich links“ stehen, doch am Ende nicht einmal durchsetzen können, den Verfassungsschutz abzuschaffen. „Und wenn wir einer Regierungsbildung zustimmen, berauben wir uns nicht der Möglichkeit, Entscheidungen laut und deutlich zu kritisieren“, widersprach Wolf Bezirkschef Brauer. Dirk Wildt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen