piwik no script img

■ Das PortraitDer Mann am Klavier

„Mata Hari“, schallte es Spaniens Vizepräsident Narcis Serra letzten Donnerstag auf dem Weg zum Geheimdienstausschuß entgegen. Der Politiker, bei dem alle Fäden der spanischen Spionage zusammenlaufen, sollte zum Abhörskandal Stellung nehmen. Wenige Stunden zuvor hatte er einen seiner wichtigsten Männer verloren: Emilio Alonso Manglano, Chef des militärischen Abschirmdienstes. Er selbst blieb, obwohl seine Erklärungen zu den Lauschangriffen auf Unternehmer, Politiker, Journalisten bis hin zu König Juan Carlos niemand zufriedenstellen konnten.

Die Entscheidung, auszuharren, fiel nicht aus freien Stücken. Zweimal hat Serra Regierungschef Felipe González seinen Rücktritt angeboten. Doch der braucht den kleinen bärtigen Katalanen noch, um heute vor dem Parlament Rede und Antwort zu stehen. Die Opposition protestiert gegen das Versteckspiel.

Seine ersten Sporen verdiente sich der heute 55jährige Wirtschaftswissenschaftler im Norden. Nach dem Tode Francos trat er als MiniNarcis Serra, Spaniens VizepräsidentFoto: AP

ster für Öffentliche Arbeiten in den Dienst der Autonomieregierung Kataloniens. Bei den ersten demokratischen Gemeinderatswahlen 1979 zog er in das Rathaus von Barcelona ein. Bürgermeister Serra organisierte die erste Militärparade nach dem gescheiterten Putsch vom 23. Februar 1981, und er bat König Juan Carlos um Unterstützung für sein ehrgeiziges Projekt, die Olympischen Spiele nach Barcelona zu holen. Ungewöhnliche Gesten im von Bürgerkrieg und 40 Jahren Diktatur zerrissenen Spanien. „Damals hörte das Land auf zurückzuschauen. Das können wir Serra nie genug danken“, lobt ihn sein Nachfolger Pasquall Maragall.

Seit 1991 ist Serra die rechte Hand von Regierungspräsident González. Er wechselte vom Verteidigungsministerium in den Regierungspalast. González trug damit den neuen innerparteilichen Kräfteverhältnissen Rechnung. Der allmächtige zentralistische Parteiapparat machte so den Erneuerern um die regionalen Vorsitzenden, den „sozialistischen Baronen“, Platz.

Serras Zeiten als geachteter Vertreter dieser Strömung sind vorbei. Nachdem selbst engste politische Freunde seinen Rücktritt fordern, bleibt ihm nur sein Klavier als Trost. In schwierigen Zeiten finde der Politiker aus gutbürgerlichem Elternhaus in der Musik Ausgleich und innere Ruhe, heißt es. Reiner Wandler

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen