: Bunte Abende
■ Der neue Stil des neuen ZDF-Unterhaltungschefs: Axel Beyer will "das Humorelement grundsätzlich einbringen"
Was haben Rosi Mittermaier, Christian Neureuther, Monika Sundermann und Hans Rosenthal gemeinsam? Alle vier gehörten zur Crew von Dalli Dalli. Das haben Sie nicht gewußt? Wunderbar! So werden Sie sich selbst mit sentimentalen Vergleichen nicht im Weg stehen können, wenn es um den Genuß am Remake der Schnelldenker-Show geht, das „angepaßt an den Zeitgeist der 90er Jahre“ ab Oktober täglich im ZDF zu sehen sein wird. Aufgewärmt wurde das fossile Quiz von Axel Beyer, seit sechs Wochen „Leiter der ZDF-Hauptredaktion Show“ und zuvor beim WDR in ähnlicher Funktion verantwortlich für Lieblingssendungen wie „Boulevard Bio“, „Geld oder Liebe“ und „Flitterabend“.
Am Dienstag präsentierte der 44jährige die Formate, mit denen er die Unterhaltungsschiene seines neuen Arbeitgebers aufzubrezeln gedenkt. Überrascht wurde die geladene Fachpresse im „Hafen Klub Hamburg“ dabei durch die fast barocke Behäbigkeit der Beyerschen Selbstinszenierung („Mein Bruder spielte im Weihnachtsmärchen immer die Hexe“). Axel Beyer ist einer, der Chaos „Durcheinander“ nennt, ein Mann also, der sich zu seinem speedigen Vorgänger Fred Kogel verhält wie Alpaka-Wolle zu Goretex. Der 34jährige Kogel switcherte nach nur 13 Monaten im öffentlich-rechtlichen Amt ab zu Sat.1, wo er das ihm zugeschriebene Verjüngungsflair entfalten soll.
Auf juveniles Tamtam scheint man nun in Mainz nicht mehr zu stehen. Der gebürtige Hanseat Beyer will auch die eher spärliche jüngere ZDF-Klientel durch traditionelle Besinnung aufstocken. Wenn er davon spricht, daß „das Humorelement grundsätzlich einzubringen sei“, von Dieter Thomas Heck schwärmt oder knapp bekennt: „Ich liebe Musikshows“, dann gewinnt eine Vision Kontur, die sich um eine bürgerliche Vergnüglichkeit des 19. Jahrhunderts rankt: den „Bunten Abend“.
Im Oktober 1995 startet ein neues Programmschema, das endlich auch den ZDF-Abend schon nachmittags beginnen läßt. Ralph Morgenstern wird, immer sonnabends ab 15.30 Uhr, mit einer „Talk-Show rund um Yellow- Press-Themen“ (ein Remake der WDR-Show „Klatschmohn“) für Farbe im Alltag sorgen, die Holger Beinert eine Stunde später mit einer „Das ist Liebe“ betitelten „Mischung aus Talk und Spiel mit Ehepaaren“ noch zu intensivieren trachtet. Neu in die abendliche Showoffensive schleudern Beyer und seine MitarbeiterInnen „Holidate“ und „Die große Illusion“. Der Spielshow um „populäre Urlaubsziele wie Mallorca, die Adriaküste und Kreta“ wird sich Ex-Formel 1-Moderator Kai Böcking annehmen, während „die neue Generation von Magiern und Magierinnen aus Las Vegas“ von Dieter Moor mit seiner „bekannt ironischen Art“ (Axel Beyer) vorgestellt wird. Dirk Bach soll im neuen Jahr wöchentlich einen gescheiterten Schauspieler und Vater einer 13jährigen mimen (aha, Comedy).
In der Grauzone zwischen neu und alt darf sich vorerst nur probeweise der zuletzt erfolglose Mike Krüger mit einer Personality-Show tummeln. Krüger soll zurück zu seinen Wurzeln als Komiker finden, wohl irgendwie nach dem Motto „Back to Mein Gott Walter“. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß „14.15“ eine Show „mit Themen und Musik für junge Leute“ ist, die von Antje Pieper und Oliver Geißen moderiert werden soll. Das war's dann mit neu. Gut, Thomas Gottschalk und Harald Juhnke werden wir jeweils einmalig extra erleben, und Juhnke wird ab 1996 Protagonist einer eigenen Comedy-Serie, aber sonst? Der Quotenossi Lippert bleibt bei seiner „Goldmillion“, und auch sonst wird in gewohnter Manier weiter vor sich hin geheckt, gestumpht, geegnert, ein bißchen mehr gereibert (geplant ist eine Serie mit dem Titel „Goldene Berge – goldene Lieder“) und gewillemst, denn „Roger“ (Axel Beyer) darf „Zeitgenossen“ präsentieren.
An ihm versucht Axel Beyer schließlich die besondere Innovation seines Unterhaltungskonzeptes zu verdeutlichen, die – seien wir ehrlich – nicht eben ins Auge springt: „Roger Willemsen wird mit seinen Kanten nicht mehr allein im Programm sein.“ Auflauf der Kantigkeit versus private Glätte? Kantige Frauen, ausgestattet mit „intellektueller Kompetenz“, die der studierte Pädagoge Axel Beyer gehäuft bei seinen Neulingen Dieter Moor, Ralph Morgenstern und Holger Beinert entdeckt zu haben glaubt, wird es im neuen ZDF-Abendprogramm jedenfalls vorerst nicht zu sehen geben. Existieren die denn im wirklichen Leben nicht? „Es gibt nun mal per se mehr Männer auf dem Markt, aber wir bemühen uns“, kommt es etwas lasch aus des Show-Leiters Munde. Nun gut, warten wir auf die Gestaltung des traumhaftesten der Beyerschen Versprechen: die neue große Samstagabend-Show im neuen Jahr. Claudia Thomsen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen