piwik no script img

Mein Papa ist schwul

■ Ein Problem, das eigentlich keines ist – und dennoch den meisten schwulen Vätern das Leben schwermacht / Selbsthilfegruppe versucht bei Problemen zu helfen

Auf den ersten Blick gibt es in der Wohnung von Eric (34) keinen Unterschied zum konventionellen schwulen Singlehaushalt. Da stapeln sich im CD-Regal die Scheiben von Eartha Kitt, Ufa-Diva Zarah Leander und Madonna. Oder neben dem ausklappbaren Dreisitzer liegt das aktuelle Exemplar des schwulen Stadtmagazins Siegessäule, und im Bücherschrank harren solche Klassiker wie Oscar Wildes „Dorian Gray“ oder Thomas Manns „Tod in Venedig“ einer zweiten Lesung.

Aber an drei oder vier Tagen in der Woche tönen aus dem kleinen Zimmer neben der Küche Benjamin Blümchens Abenteuer. Auf einer Triola wird mehr schlecht als recht der Hit „Alle meine Entchen“ intoniert, und ein Paar ungeduldiger Kinderhände hebt einen quirligen, zementgrauen Chinchilla aus seinem Verschlag.

Dann ist Maria (9) bei ihrem Papa. Homosexuell zu sein und ein Kind zu haben scheint alle Theorien über den Ursprung der sexuellen Orientierung ad absurdum zu führen. Schwul ist man von Geburt an oder eben nicht. Das ist bislang der Wissenschaft letzter Schluß. Und so hatte auch Eric bereits homosexuelle Erfahrungen, bevor er, 22jährig, mit seiner Freundin das Aufgebot bestellte. „Eigentlich war mit beim Gedanken ans Heiraten hundeübel“, erinnert er sich. Aber wie viele andere entzog sich Eric den gesellschaftlichen Erwartungen und Konventionen erst, nachdem seine Skrupel ihm in Form von Magengeschwüren die Gesundheit ruiniert hatten. Als nach zwei Ehejahren seine Tochter Maria geboren wurde, fand er schließlich den Mut, seine zermürbende Identitätskrise zu beenden. Nach seinem Coming-out verfiel die Verwandtschaft zwar einem kollektiven Schluckauf. Sie akzeptierte ihn dann aber doch so, wie er ist. Die jungen Eltern wechselten sich fortan bei der Erziehung ihrer Tochter ab. Nicht immer ist eine Familie so tolerant. Die Selbsthilfegruppe für schwule Väter in der Kulmer Straße in Schöneberg versucht in solchen Fällen zu helfen. Sieben, acht Männer, unter ihnen Eric, treffen sich monatlich und erzählen Neuhinzugekommenen von eigenen Erfahrungen. „Da gibt es Mütter, die verweigern ihren Exgatten das Recht, die Kinder zu sehen. Die Angst der Männer, die Partnerin zu verletzen und die Kinder zu verlieren, ist groß“, sagt Georg, der mit 59 Jahren in der Gruppe der Älteste und bereits Großvater ist. „So ziehen viele es vor, ihre homosexuelle Neigung geheimzuhalten.“ Er selbst hat seine beiden inzwischen erwachsenen Kinder erst über sich aufgeklärt, als sie bereits 18 und 19 Jahre alt waren. Und während seine Tochter ihm von der Uni schon mal den einen oder anderen Tip über schwule Aktionen und Veranstaltungen mitbringt, hat sein Sohn noch Probleme mit der väterlichen Vorliebe für Männer. „Die Frauen verstehen uns eben viel besser, weil sie nachvollziehen können, daß wir Männer attraktiv finden“, glaubt Georg.

Eric ist sicher, daß es gut war, sich seiner Tochter schon früher zu öffnen. „Auch Kinder von dicken Eltern müssen lernen, die Andersartigkeit des Vaters oder der Mutter zu akzeptieren und sich gegen die Häme der Spielgefährten zu wehren.“ Und auch das Umfeld von Alina weiß vom Trennungsgrund der Eltern. So kann die Lehrerin ihr bei Problemen helfen, denn Vorurteile über den Wert einer Erziehung durch schwule Väter oder lesbische Mütter gibt es noch zuhauf. Das Kind könnte könnte schließlich selbst „andersrum“ werden, wird zum Beispiel geunkt. „Einmal abgesehen davon“, sagt ein Mitglied der Selbsthilfegruppe, „daß die meisten Homosexuellen bei durch und durch heterosexuellen Eltern aufwachsen: Was wäre eigentlich so schlimm daran?“ Olaf Kosert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen