: Tschernomyrdin will selbst verhandeln
■ Russische und tschetschenische Delegation einigen sich in Grosny auf die Durchführung von Wahlen / Die einzelnen Details sind bisher jedoch ungeklärt / Russische Armee bombardiert in Südtschetschenien
Moskau (AP/AFP) – Der russische Ministerpräsident greift selbst in die Verhandlungen über einen Frieden in Tschetschenien ein. Bevor Viktor Tschernomyrdin gestern mit der aus Grosny zurückgekehrten russischen Verhandlungsdelegation zusammentraf, bemühte er sich, den hohen Stellenwert zu betonen, den die russische Regierung inzwischen den Bemühungen um eine Befriedung in Tschetschenien beimesse. Der Premier sagte, daß er weiterhin die „persönliche Kontrolle“ der Friedensgespräche für die nach Unabhängigkeit strebende Kaukasusrepublik übernehme. Seine Regierung werde die Verhandlungen vorantreiben, wichtig seien nun „die Wahlen mit dem Ziel der Selbstverwaltung in Tschetschenien“.
Die Unterhändler beider Seiten hatten am Freitag ein vorläufiges Protokoll über die für den 1. November geplanten Wahlen unterschrieben und die Verlängerung der seit Mittwoch gültigen Waffenruhe verkündet, die sonst am Freitag um Mitternacht ausgelaufen wäre. „Das Dokument, das wir unterzeichnet haben, bedeutet, daß eine Rückkehr zum Krieg nicht möglich ist“, sagte der tschetschenische Unterhändler Usman Imajew am Ende des fünften Verhandlungstags. Die russischen Unterhändler wollen Tschernomyrdin vorschlagen, zuerst die Wahlen abzuhalten und danach mit der neuen tschetschenischen Führung über den Status der Kaukasusrepublik zu verhandeln. Die Unabhängigkeitskämpfer bestehen darauf, daß die amtierende Führung unter Präsident Dschochar Dudajew bis zu den Wahlen im Amt bleibt und den Urnengang selbst organisieren kann. Ferner verlangen sie, daß Dudajew kandidieren darf. Die russische Seite lehnt dies jedoch ab, da in Rußland ein Haftbefehl gegen Dudajew vorliegt. Auch über den künftigen politischen Status Tschetscheniens innerhalb der russischen Föderation gab es bisher keine Einigung.
Unterdessen scheint der Waffenstillstand jedoch immer brüchiger zu werden. In der Hauptstadt Grosny waren nach russischen Angaben am Samstag unablässig Maschinengewehrsalven zu hören. Wie tschetschenische Zivilisten und Journalisten vor Ort berichteten, beschossen russische Flugzeuge den Süden der Kaukasusrepublik. Die russische Militärführung wies dies jedoch zurück. Auf einer Bahnstrecke in Tschetschenien explodierte am Samstag abend ein Sprengsatz. Aus Furcht vor neuen Artillerieangriffen flüchteten viele Zivilisten nach Grosny. Dabei mußten sie unzählige Straßensperren passieren, die die russische Armee nach dem Geiseldrama von Budjonnowsk errichtet hat.
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