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Tampons als Mordwaffe

„Wenn man uns nur läßt, können wir ganz anders“: In ihrem Essayband zum Frauenbild im Gegenwartskino untersucht die Filmkritikerin Christiane Peitz, wer Weiblichkeit auf welche Art und zu welchem Zweck einsetzt  ■ Von Anke Westphal

Im Jahre 1991 veröffentlichte Susan Faludi eine hochintelligente und spannend zu lesende Analyse über den Gegenschlag der Frauenfeindlichkeit in Zeiten von Rezession und Massenarbeitslosigkeit. „Backlash“ ist jeder und jedem wärmstens zu empfehlen, und nicht nur die Qualität dieses Buchs wirft noch und noch die Frage auf, was einen denn bei der Lektüre hierzulande geschriebener feministischer Analysen oft so verstimmt. Ist es die allzu egobesetzte Prämisse weiblicher Befindlichkeit? Eine gewisse Synthese aus Humorlosigkeit und Fundamentalismus? Die Bequemlichkeit im Nutzen abgesegneter Erkenntnisse? Was, um Himmels willen, hat der amerikanische Feminismus, was der deutsche nicht hat?

Die Rezensentin von „Marilyns starke Schwestern“, des ersten Buchs der Filmkritikerin Christiane Peitz (Die Zeit, taz, ORB), wird sich wohl zwei Vorwürfe einhandeln – den der konservativen Weiblichkeit und auch den des Kolleginnenneids. Nun, es ist weder an dem einen noch dem anderen. Christiane Peitz beginnt „Marilyns starke Schwestern“, eine Untersuchung des Frauenbilds im Gegenwartskino, mit der Erinnerung an eine ganz persönliche und identitätsstiftende Befindlichkeit: „Als Kind war ich dick, fromm und musikalisch. Mit acht Jahren ging ich zur Erstkommunion, und mein größtes Problem bestand darin, daß die Kommunionskleider aus dem Kaufhaus nicht paßten ... Das war meine erste Begegnung mit der Weiblichkeit.“

Das Kino der Audrey Hepburn oder Shirley Mac Laine beschreibt Christiane Peitz als Chance, die Fassung zu verlieren, als stellvertretende Erlösung – „lauter kleine Frauen, die groß rauskamen“. Und für wen war oder ist das nicht so? Das ist nicht das Problem dieses Buchs, im Gegenteil. Das Problem ist auch nicht, daß Peitz' Interpretationen des feministischen Impetus von Filmen wie „Wild At Heart“ oder „Thelma und Louise“ manchmal ein wenig zu gut gemeint sind.

George Cukors „Frauen“ von 1939 mag einem ungleich feministischer vorkommen als „Thelma und Louise“, aber darüber kann man ohne Zweifel geteilter Meinung sein, und schließlich geht es ja auch um das Gegenwartskino – Christiane Peitz bezieht sich in ihren Essays auf das amerikanische und neuseeländische; im zweiten Teil von „Marilyns starke Schwestern“ begründet sie ihre Affinität zu den Filmen Jane Campions – in einem Essay, wie ihn sich keine Regisseurin schöner wünschen könnte.

Man kann auch durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob Laura Dern in „Wild At Heart“ tatsächlich die „mythische Heldin“ verkörpert und ob ein „direkter Blick“ wie der von Clarice Starling (Jodie Foster) in „Das Schweigen der Lämmer“ die Heldin „schutzlos ausliefert“.

Das Problem von „Marilyns starke Schwestern“ liegt viel eher in Ableitungen wie dieser: „Das Doppelgängertum der Filmheldinnen [als Rollenverletzerin und zugleich auf ihre Rolle verwiesene; d.A.] erlaubt allerdings gleichzeitig die Demaskierung des Geschlechts als etwas kulturell Definiertes.“ So weit, so gut. Dann kommt es leider: „Von wegen Weiblichkeit. Wenn man uns nur läßt, können wir ganz anders.“ Solche Sätze singen das alte Lied vom armen Opfer und machen „Marilyns starke Schwestern“ zu einem – in theoretischer Hinsicht – sehr alten Buch.

Nun ist die Schreiberin dieser Zeilen nicht so naiv zu glauben, daß nichts unmöglich ist, aber „wenn man uns nur läßt“ ist nur ein Klischee unter vielen, die reproduzieren, was sie zu entlarven meinen. Andere, immer auf einen bestimmten Film bezügliche, aber verallgemeinerte lauten so: „Frauen als Garantinnen für das Realitätsprinzip“ („Gas Food Lodging“). Oder auch: „Frauen wie du und ich“ („Grüne Tomaten“) und „Frauen machen sich für Männer schön, wenn sie einen Schönheitssalon aufsuchen“ („Tödliche Gedanken“).

Die Differenz zwischen der Kritik am Film und der Kritik an der Wirklichkeit ist nicht immer deutlich. „Schließlich glauben wir ja, was wir sehen“, schreibt Peitz. Nur mal angenommen, daß das stimmt – glaubt ein Kinopublikum dann etwa das gleiche oder zumindest ähnliches?

Ob nun „Weiblichkeit“ falsches Bewußtsein sei, ist für Christiane Peitz dankenswerterweise nicht mehr die Frage. Für die Autorin ist es viel unterhaltsamer, darüber nachzudenken, wer „Weiblichkeit“ auf welche Art und zu welchem Zweck in Szene setzt. Christiane Peitz ist keinesfalls eine, die Mode zur frauenfeindlichen Angelegenheit per se macht. Sie arbeitet à la Butler oder Weissberg mit dem Begriff der Masken, dem „Verwandlungstrick“, den Möglichkeiten von Kostüm und Rolle. Aber auch was das betrifft – sind wir nicht schon ein bißchen weiter?

So sieht Peitz die Filmheldinnen der Neunziger: „Sie haben unlösbare Finanzprobleme, dafür aber beste Freundinnen.“ Ach, wenn's doch nur so einfach wäre! Die Schwierigkeit mit der klassischen feministischen Theorie vom „männlichen Blick, der das Frau- Sein konstituiert“ wird von Peitz zwar benannt, aber mehr referiert als reflektiert. Natürlich ist alles, worauf ein Blick sich richtet, Objekt. Aber ganz gleich, ob die Filmtheorie nun vom allgewaltigen „männlichen Blick“ ausgeht oder die Sache als eine Frage der Distanz betrachtet – der Hollywood- Film wird „die paternalistische Ordnung“ wohl nicht, wie auf Seite 87 am Beispiel von „Das Schweigen der Lämmer“ zwischen den Zeilen ersehnt, „über den Haufen werfen“. Hier wäre weniger gute Hoffnung denn doch mehr Realitätsprinzip gewesen.

„Marilyns starke Schwestern“ erleuchtet einmal mehr das didaktische Dilemma des deutschen Feminismus in der Mitte der Neunziger. Es wird, auch bei Christiane Peitz, sehr genau hingesehen. Schade nur, daß eines von vornherein feststeht: Wo geschossen und nicht wo gekocht wird, ist die Emanzipation. „Grüne Tomaten“ fällt somit durch; dabei ist der Film kein Deut kitschiger oder schlechter gespielt als „Thelma und Louise“. Susan Faludi zufolge fordert der Feminismus „alle Welt auf, zu erkennen, daß Frauen kein schmückendes Beiwerk, keine kostbaren Gefäße, keine Mitglieder einer ,bestimmten Interessengruppe‘ sind“. Das ist wunderbar. Der Feminismus fordert die Welt jedoch nicht auf, Frauen a priori und kollektiv für bessere Geschöpfe oder „Realitätsgaranten“ zu halten. Das wäre nicht besser als Politkitsch.

Christiane Peitz: „Marilyns starke Schwestern. Frauenbilder im Gegenwartskino“. Ingrid Klein Verlag, 168 Seiten, geb., 29,80 DM.

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