: Kanzlers Bullaugen schauen auf den Spreebogen
■ Das Bundeskanzleramt wird nach den Plänen von Axel Schultes gebaut
Kohl geht unter die Häuslebauer. Nach sechsmonatigem „Ringen“ mit zwei unterschiedlichen Entwürfen hat sich der Bundeskanzler entschieden, den Neubau des Kanzleramts im Spreebogen nach den Plänen von Axel Schultes und Charlotte Frank zu realisieren. Der Vorschlag der beiden Berliner Architekten, so Kohl gestern, spiegle auf „großartige Weise die zentrale Bedeutung“ des Amtssitzes wider. Der Entwurf strahle „Selbstbewußtsein, Bescheidenheit und Würde“ gleichermaßen aus. Schultes/Frank waren nach einem Bauwettbewerb im Dezember 1994 gemeinsam mit dem Team Krüger/Schuberth/ Vandreicke mit einem „ersten Preis“ ausgezeichnet worden. Beide Entwürfe waren Kohl zur Auswahl vorgelegt worden.
Bei seiner Entscheidung, sagte Kohl, habe er sich von der Empfehlung des Preisgerichts leiten lassen. Ausschlaggebend für Schultes/Frank sei gewesen, daß das längliche Ensemble mit einem Turm in der Mitte eine „kraftvolle“ und „transparente“ Architektursprache repräsentiere. Kohl: „Das Kanzleramt wird damit dem Bild einer demokratischen und bedeutsamen Bundesrepublik über die Jahrtausendwende gerecht.“
Der Entwurf der beiden Architekten, die bereits 1993 den städtebaulichen Wettbewerb für das Regierungsviertel im Spreebogen mit der „Ost-West-Spange“ für sich entscheiden konnten, war in den letzten Monaten verändert worden. Das H-förmige Kanzleramt wird nun von einem großen Ehrenhof erschlossen. Die beiden Längsflügel beherbergen Büros. In dem zentralen Mittelteil sind – auch aus Sicherheitsgründen – die Räume des Kanzlers angesiedelt. Neu in dem Entwurf sind die großen kreisrunden Fenster und der Wechsel zwischen Beton- und Glasflächen. In den großen Bullaugen sehen die Architekten ein „Schau-ins-Land“-Symbol. „Die Öffnungen sollen zum Wahrzeichen des Amtes werden“, so Schultes und Frank.
Während Eberhard Diepgen gestern den Entwurf auf den „hölzernen“ Spitznamen „Auge des Kanzlers“ taufen wollte, blieb Kohl sachlich: Mit dem modernen 270-Millionen-Mark-Neubau wolle man auch einen „Kontrast“ zum alten Reichstag herstellen. Kohl plädierte darüber hinaus dafür, das Bundesratsgebäude ebenfalls im Spreebogen zu bauen. Der Kanzler sprach sich für einen baldigen Baubeginn aus. Die Frage, ob er in das Gebäude im Jahr 1999 einziehen wolle, ließ Kohl offen. Rolf Lautenschläger
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