piwik no script img

Gericht ordnet Wiederbesetzung an

■ Hausbesetzer dürfen wieder in die Linienstraße 158 in Mitte / Bezirksamt hatte zuvor sofortigen Baustopp verhängt

Die Berliner Linie siegte am Ende doch über die bayrische Art. Einen Tag nachdem ein Bautrupp die Besetzer der Linienstraße 158 in Mitte aus dem Haus geräumt hatte, erklärte das Amtsgericht die Räumung gestern für illegal. Per einstweiliger Verfügung wurde den Eigentümern Thies und Launicke aus München unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 500.000 Mark auferlegt, den Besetzern den Zutritt zu gewähren und den ursprünglichen Zustand des Gebäudes wiederherzustellen. Andernfalls müsse der Gerichtsvollzieher den geräumten Besetzern den Zutritt verschaffen.

Ein von den Münchnern beauftragter Bauarbeitertrupp samt Hundestaffel hatte am Mittwoch morgen das Gebäude geräumt und war auch in das Nachbargebäude Linienstraße 159 eingedrungen. Die Polizei, von den Besetzern zur Hilfe geholt, schritt nicht ein. Für den Einsatzleiter Hellmann und den Kontaktbereichsbeamten Kellotat galt das Haus als nicht besetzt, da dort keiner gemeldet sei. Eine Auffassung, der gestern der für Hausbesetzer zuständige Mitarbeiter der Senatsbauverwaltung, Ralf Hirsch, widersprach. Mehrere Personen kündigten unterdessen rechtliche Schritte gegen die Polizei und die Eigentümer an.

Bereits am Mittwoch abend hatte der Bürgermeister von Mitte, Gerhard Keil (SPD), einen Baustopp für die denkmalgeschützte Linienstraße 158 angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits die Fensterkreuze im Erdgeschoß sowie eine Kellertür herausgerissen. Nachdem sich die Bauarbeiter der Eigentümer, wiederum unter den Augen der Polizei, nicht an den Baustopp hielten, verfügte das Bezirksamt gestern den sofortigen Abzug aller Bauarbeiter und des Wachschutzes von dem gesamten Grundstück.

Die Besetzer der Linienstraße sowie die anwesenden Vertreter des Bezirksamts und der Betroffenenvertretung nahmen den Gerichtsentscheid gestern mit Jubel beziehungsweise Erleichterung zur Kenntnis. Der Vertreter der Eigentümer wollte die illegale Räumung damit entschuldigen, daß sein Mandant mit den besonderen rechtlichen Gepflogenheiten in Berlin nicht vertraut gewesen sei. Er kündigte an, namentlich genannten Besetzern den Zutritt zu gewährleisten. Weitere Verhandlungen zwischen Besetzern und Eigentümern wurden an einem Runden Tisch vereinbart.

Die Eigentümer Thies und Launicke (T+L) haben sowohl die Linienstraße 158 als auch 159 bereits 1993 erworben, sind aber noch nicht im Grundbuch eingetragen. Ein Bauantrag liegt beim Bezirk nicht vor. In dem schräg gegenüber liegenden Gebäude Linienstraße 103 sind die Bauarbeiten von T+L dagegen so gut wie abgeschlossen. Das Haus war 1993 in die Schlagzeilen geraten, als es aus bisher ungeklärten Gründen ausbrannte. Die Eigentümer, die daraufhin einen Abrißantrag gestellt hatten, konnten vom Bezirk nur noch dazu verpflichtet werden, die Vorderfassade zu erhalten. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen