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Eine Krimisendung für Sabine

Die Post stellt ihren Paketdienst um / 33 Frachtzentren auf der grünen Wiese sollen die Zustellung extrem beschleunigen / Taz-Test: Es klappt  ■ Von Annette Jensen

Die Post hat es versprochen: Wenn erst das neue Frachtsystem installiert ist, sind 80 Prozent der Pakete am nächsten Tag da. „Alles im Umkreis von 550 Kilometern ist fast sicher", behauptet Pressesprecher Andreas Winkelmann. Zwar fällt der offizielle Startschuß erst am Samstag. Aber bis auf einen computerlesbaren Aufkleber, der im Postamt aufgebappt wird und mit dessen Hilfe verlorene Sendungen gesucht werden können, funktioniert schon heute alles.

Also packe ich ein Geschenk für meine Freundin Sabine in Hamburg – ein paar Krimis aus der Grabbelkiste der Kulturredaktion und eine Möhre für den Frischetest. 15 Uhr, Postamt am Halleschen Tor in Berlin: Eine junge Frau zieht mein Paket auf die Waage und kassiert für den zweieinhalb Kilo schweren Kasten 7,60 Mark. Ab dem 1. Juli würde mich die Sendung 9,40 Mark kosten – die Empfängerin muß dann keine Zustellgebühr mehr bezahlen.

Die Postbeamtin wirft mein Paket auf einen Rollwagen, in dem schon ein paar andere Kisten und größere Briefumschläge lagern. „Ab dem 3. Juli können Sie Ihr Paket noch bis 18 Uhr abgeben und es geht noch am selben Tag weg“, sagt sie. Jetzt aber startet das gelbe Postauto, nur halb voll, bereits 16.30 Uhr in Richtung Rüdersdorf.

2,3 Millionen EinwohnerInnen leben im Einzugsgebiet, durchschnittlich 28.000 Päckchen und Pakete verschicken die Leute im Süden Berlins und Osten Brandenburgs jeden Tag und bekommen im Gegenzug 60.000 geliefert. „Berlin ist eben eine konsumierende Metropole. Außerdem gibt es hier keine Versandhäuser“, erklärt Holger Rehberg, Abteilungsleiter in dem Postfrachtzentrum östlich der Spreestadt, das Ungleichgewicht.

Der Laster steht lange im Stau, rumpelt über alte Landstraßen bis in das 30 Kilometer vom Berliner Stadtzentrum entfernte Dorf. Vergammelte Wohnhäuser auf der linken, ein monströses Gewerbegebiet auf der rechten Straßenseite und die Autobahnauffahrt nicht weit – das ist Rüdersdorf. Das Postfrachtzentrum sieht aus wie alle anderen 32 Postfrachtzentren in ganz Deutschland auch: Eine lange, weiße Blechhalle mit vielen Rolltoren, an die die Laster rückwärts heranfahren.

Männer schieben die Paketwagen in die Halle. Sie legen die Schachteln, Kisten und Papprollen auf kurze Fließbänder, neben denen Frauen wie an einer überdimensionierten Supermarktkasse mit einem Keyboard sitzen. „Man muß nur die Postleitzahl und die ersten Buchstaben von der Straße eingeben“, sagt Jutta Holischeck und zieht einen streichholzschachtelgroßen Aufkleber mit mehreren schwarzen Streifen von einer Rolle. Damit versehen drückt sie das Paket auf ein zweites Band, das losrast, sobald ein Platz auf der endlosen Kette von quadratmetergroßen Metalltellern frei ist. Schon nach wenigen Augenblicken erreicht es eine rote Laserstrahlenschranke, die innerhalb von Sekundenbruchteilen registriert, wohin die Reise geht. „Eine tolle Anlage der Firma Siemens“, schwärmt Winkelmann.

Jetzt aber ist der Betrieb erst einmal unterbrochen: Ein Paket ist irgendwo von einem der kilometerlangen Bänder gekippt. Die Computerzentrale schickt sofort einen Ingenieur per Fahrrad los. Die Zeit ist knapp. Um 20 Uhr werden die Wagen versiegelt, so ist es mit der Spedition TNT vereinbart, die alle Transporte zwischen den Frachtzentren abwickelt. Nach wenigen Minuten ein schriller Ton und das Blinken einer orangen Drehleuchte. Weiter geht's.

Hin und her, rauf und runter und über verschiedene Bänder werden die Pakete durch die weitläufige Halle gelotst – ein Geräusch, als ob permanent Züge über Weichen fahren. Schließlich klappt der Holztisch zur Seite und kippt das Paket auf eine türkisfarbene Wendelrutsche, die aussieht wie in einem Spaßbad. An ihrem Ende sammeln sich sortenrein die Sendungen zum Postfrachtzentrum Hamburg, Regensburg oder Dresden. „Der Transport ist schonend, die Whiskyflasche an den Onkel geht nicht mehr kaputt“, behauptet Winkelmann stolz.

Jeder Arbeiter hier muß mehrere Wagen füllen. „Wir stehen weit voneinander entfernt. Unterhalten kann man sich da nicht mehr“, sagt ein Mann mit einer imposanten Haartracht, der seinen Namen nicht nennen mag. „Wir sind doch nur noch Teile der Maschinen.“ 22,51 Mark bekommen die WestlerInnen pro Stunde, die OstkollegInnen haben nur 16,81 Mark in der Lohntüte. Das, die schlechten Arbeitszeiten und extrem lange Anfahrtswege drücken die Stimmung in der Belegschaft. Außerdem hat die Geschäftsführung angekündigt, daß in den nächsten Jahren von den 56.000 MitarbeiterInnen in ganz Deutschland etwa 6.000 „abgebaut“ werden sollen.

20 Uhr, Schichtende. Die Container auf Stelzen sind versiegelt, ein Lkw nach dem anderen rast über den riesigen Teerplatz, vorbei an staksigen Jungbäumen, zum Werkstor. Schon drei Stunden später sind die ersten Rolltore wieder verstellt. Jetzt werden die Pakete für Berlin, Frankfurt an der Oder und Eisenhüttenstadt entladen und mit Hilfe des Scanners nach 14 Zustellbasen und den 551 Berliner Zustellbezirken sortiert.

In den 32 anderen Postfrachtzentren sieht es ganz genauso aus wie in Rüdersdorf. Und auch der Zeitplan ist exakt der gleiche. Mein Paket für Sabine muß noch vorm Morgengrauen per Laster in Hamburg eingetroffen sein: Um 9.30 Uhr ruft sie an – die Sendung ist da! Der Ausschuß aus der Kulturredaktion findet leider nicht ihre Zustimmung, die Möhre ist auch nicht mehr knackig. Das aber kann nicht an der Post liegen.

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