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Auch Tornado-Freunde stimmen mit Nein

■ Bundestag entscheidet heute über Bundeswehr-Hilfe für Eingreiftruppe / Voraussichtlich nur wenige Oppositionsstimmen für die Regierungsvorlage

Bonn (taz) – „Wir werben um jede Stimme“, hatten die Minister Volker Rühe und Klaus Kinkel nach dem Kabinettsbeschluß über den ersten Einsatz der Bundeswehr mit Kampfauftrag verkündet. Ernst gemeint war diese Ankündigung nicht. Die Regierung hat zwar die Opposition ständig informiert, sich aber nie um einen Kompromiß bemüht und schließlich einen Beschluß mit vielen Unbekannten vorgelegt. Im Bundestag werden deshalb heute auch solche Oppositionsabgeordneten gegen den Regierungsantrag stimmen, die grundsätzlich bereit sind, die Eingreiftruppe in Ex-Jugoslawien auch mit militärischen Mitteln zu unterstützen.

Das Parlament muß über eine Vorlage entscheiden, die kein Zeitlimit setzt und keine konkreten Zahlen für Soldaten oder Material nennt. Es geht um einen Vorratsbeschluß: Der Bundestag soll morgen schon seine Zustimmung zum Bundeswehreinsatz im Fall eines Abzugs der Blauhelme geben. Auf Festlegungen hat die Regierung bewußt verzichtet: Sie wollte beim ersten Einsatz der Bundeswehr mit Kampfauftrag nicht einen Präzedenzfall schaffen, der den Handlungsspielraum der Exekutive in Zukunft einschränken könnte.

Die Koalitionsmehrheit steht. Spannend bleibt allein die Frage, wie viele SPD-Abgeordnete sich bei der Abstimmung offen gegen ihre Partei- und Fraktionsführung stellen. Die SPD wird einen Antrag einbringen, in dem der Einsatz von Kampfflugzeugen „ausdrücklich ausgeschlossen“, der Einsatz von Aufklärungsflugzeugen, logistische Hilfe und die Entsendung eines Lazaretts begrüßt werden. Anders als das Kabinett will die SPD die Genehmigung bis Ende des Jahres befristen.

In der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag stimmten 56 Abgeordnete gegen den Antrag ihres Vorstandes. Darunter sind offensichtlich auch solche Parlamentarier, denen schon die Entsendung des Lazaretts und die logistische Hilfe zu weit gehen. Daß alle Tornado-Befürworter auch mit der Regierung stimmen, gilt als unwahrscheinlich: Die Fraktionsdisziplin bindet auch, wenn sie nicht offiziell erklärt ist.

Weitgehend geschlossen gehen die Bündnisgrünen in die Abstimmung. Nach der Hilfszusage Volker Rühes an die Verbündeten Anfang Juni in Paris war die Fraktion in der Frage einer deutschen Beteiligung noch zerstritten. Höchstens sechs von 49 Abgeordneten könnten mit der Regierung stimmen, heißt es nun, nachdem am Dienstag in der Fraktion ein Kompromiß zwischen den Flügeln mit 37 gegen drei Stimmen (drei Enthaltungen) zum Fraktionsantrag erklärt worden war. Die Bündnisgrünen lehnen darin jede Entsendung von Bundeswehrsoldaten zur Unterstützung der Eingreiftruppe ab.

Nur verschoben wurde damit die Klärung der Frage, ob Bundeswehrhilfe für die UN in Bosnien geboten und erlaubt ist. „Es bleibt ein schlechtes Gewissen“, sagte ein Abgeordneter: „Ich hätte nicht jeden Regierungsentwurf so leicht ablehnen können wie diesen.“

Auch die PDS hat einen Antrag eingebracht, der jede Entsendung deutscher Soldaten ablehnt. Hans Monath

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