Norwegen will Riesen-Gasplattform versenken

■ Umweltminister: Einzige Option / Shell und Esso streiten über Brent Spar

Oslo (taz) – Norwegen dürfte bald das nächste Land sein, mit dem es die GegnerInnen der Versenkung von Plattformen zu tun haben werden. Am Samstag machte Norwegens Umweltminister Thorbjörn Berntsen klar, was er von der Mehrheitsmeinung in der EU gegen die Versenkung von Bohrinseln hält: „Meine KollegInnen haben sich nicht ausreichend informiert, sie wissen nicht, wovon sie reden.“ Norwegen werde nicht auf eine Versenkung von Plattformen verzichten können, da diese aufgrund ihrer Konstruktion teilweise nicht mehr an Land gebracht werden könnten.

Als Beispiel nannte Berntsen die Gasförderplattform Troll, die derzeit vor der norwegischen Westküste installiert wird. Sie ist mit einer Höhe von 473 Metern – 303 Meter liegen unter der Wasseroberfläche – und einem Gewicht von über einer Million Tonnen die bislang größte ihrer Art. „Niemand“, so Berntsen, „kann die wieder an Land schaffen. Die EU- Minister sollen sich erst mit der Materie vertraut machen, bevor sie Beschlüsse fassen.“ Oslo werde daher an der Linie festhalten, in jedem Einzelfall von Regierung und Parlament entscheiden zu lassen.

Auch für die Zukunft plant Norwegen offenbar keine Änderung der Konstruktionsvorschriften, die ein Recycling der Bohrinseln an Land erlauben würde.

Bei der Nordseekonferenz in Esbjerg hatte Berntsen sich mit seinem britischen Kollegen John Gummer teilweise verbrüdert: Es sei für die anderen Länder leicht, Umweltgewissen zu zeigen, da es sie nichts koste. Die Entsorgungskosten für die 70 derzeit auf norwegischem Sockel stehenden Plattformen werden auf etwa 35 Milliarden Kronen geschätzt. Das wären weniger als ein Fünftel der allein 1994 von Gesellschaften an Gewinnen und vom Staat an Steuereinnahmen erzielten Profite aus dem Nordseeöl.

Für Norwegen verspricht die „Entsorgung“ ausgedienter Plattformen eigentlich zu einem neuen Wirtschaftszweig zu werden. Rund um die Nordsee bieten nur die norwegischen Fjorde die Voraussetzung, die oft mehrere 100 Meter tiefgehenden Ungetüme zu „parken“ und zu zerlegen. Neben der Brent Spar, um deren Verschrottung bereits ein Konkurrenzkampf norwegischer Werften entbrannt ist, steht in Norwegen demnächst auch das Abwracken einer ausgedienten holländischen Plattform an. Reinhard Wolff