: Der Krieg im Sand ist scheinbar aus
Nachdem zwei streitende Verbände sich bei den Berliner World Series geeinigt haben, spielen demnächst wohl tatsächlich die besten Beach-Volleyballer um die Olympia-Qualifikation ■ Aus Berlin Thomas Winkler
Die Mittagssonne brannte auf den Berliner Schloßplatz und spiegelte sich in der rostroten Glasfassade des ehemaligen Palastes der Republik, als auf einigen hundert Tonnen Sand Historisches stattfand. Es war nicht die Tatsache, daß in der Mitte Berlins ein Beach- Volleyball-Turnier veranstaltet wird; bereits zum wiederholten Male wurde hier gebaggert und gepritscht. Auch der Zuschauerzuspruch war an diesem Freitag noch eher mau, erst am Wochenende wurden die Stahlrohrtribünen zu klein. Was den vielleicht fünfhundert ZuschauerInnen, darunter viele Touristen auf dem Weg zum Reichstagskondom und vom freien Eintritt zum Verweilen gebracht, geboten wurde, war auf den ersten Blick ein ganz normales Beach- Volleyballspiel. Zwei Leute auf jeder Seite des Netzes, die sich unglaublich hurtig durch den tiefen Sand bewegen. Überraschend war vielleicht, auf welch hohem Niveau bereits in der ersten Hauptrunde dieses World-Series-Turniers um Punkte für die Olympia-Qualifikation gespielt wurde. Dabei trat hier zwar die Nummer zwei der Weltrangliste des Internationalen Volleyball-Verbandes FIVB, das brasilianische Team aus Roberto Lopez da Costa und Franco Neto Vieira an, doch die Gegner, zwei US- Amerikaner, hatten keinen einzigen Weltranglistenpunkt aufzuweisen und waren per Wildcard ins Hauptfeld gekommen waren.
Daß Chris Young und Leif Hanson in der FIVB-Rangliste nicht geführt werden, liegt allerdings nicht an ihrer Spielstärke, sondern ist allein dem Fakt geschuldet, daß sie noch nie zuvor ein von der FIVB organisiertes Turnier mitgespielt haben. Die beiden US-Profis verdienen ihr Geld bisher ausschließlich bei Veranstaltungen der Association of Volleyball Professionals (AVP), die den Sport in den USA gemacht hat. Zu dem, was er heute ist: Mehr als vier Millionen Dollar werden bei der AVP-Tour ausgespielt, der Haussender NBC überträgt mehrmals live – das Spiel im Sand ist auf dem Weg zu einem „kaufmännisch exzellenten Produkt“ (AVP-Präsident Jon Stevenson).
Doch auch der Weltverband mit seinem mächtigen mexikanischen Präsidenten Rubén Acosta hat recht schnell die finanziellen Möglichkeiten erkannt. Dem kränkelnden Riesen Volleyball, immer noch der meistgespielte Mannschaftssport der Welt, wurde erfolgreich neues Leben eingehaucht. 1987 begann die FIBV mit eigenen Turnieren, in dieser Saison gibt es schon fast eineinhalb Millionen Dollar zu gewinnen. Zwar drohten FIVB und AVP, jeweils konkurrierende Turnier-Serien aufzubauen, aber der Streit eskalierte erst richtig, als Beach-Volleyball ins Programm der Olympischen Spiele 1996 aufgenommen wurde – vor allem auf Druck von Coca-Cola und dem Fernsehsender NBC, der sich für 500 Millionen Dollar auch die Übertragungsrechte für Atlanta gesichert hat. Natürlich wollten auch die AVP-Profis in Atlanta spielen, Acosta verkündete aber, daß sie sich nur auf seinen Turnieren qualifizieren könnten, schließlich ist die FIVB der vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannte Verband. Die AVP, in Angst um ihre Vormachtstellung in den Staaten, drohte ihren Spielern daraufhin damit, sie von der Tour auszuschließen, sollten sie bei FIVB-Veranstaltungen antreten. Schließlich erkannte die AVP aber doch, daß es der Attraktivität ihrer Turniere nicht schadet, sollten demnächst Olympiasieger mittun.
So wurden Hanson und Young, bei der AVP immerhin unter den besten Zehn registriert, zu den ersten, die den Waffenstillstand im Sandkrieg nutzten. Ausgerechnet in der historischen Mitte Berlins wurde auf einem Haufen Sand, der da eigentlich nicht hingehört, ein bißchen Geschichte gemacht. Die Amis verloren unglücklich 13:15 und mußten sich nach einer weiteren Niederlage – gespielt wurde doppeltes K.o.-System – mit dem 13. Platz begnügen. Die beiden Brasilianer scheiterten erst im Endspiel an den Norwegern Jan Kvalheim und Björn Maaseide, die dafür 20.000 Dollar Siegprämie mitnehmen durften.
Doch ein echter Vergleich der Spielstärke der Teams von FIVB und AVP wird erst beim nächsten Qualifikations-Turnier im kalifornischen Hermosa Beach möglich sein, für das sämtliche Spitzenspieler der AVP gemeldet haben, auch der Branchenstar Karch Kiraly. Der wird dann vielleicht im kommenden Jahr zu gleichen Zeit auch schon in Berlin zu bewundern sein. Denn der unerwartet große Zuschauerzuspruch war der letzte Auslöser dafür, daß der Austragungsort Schloßplatz in den nächsten vier Jahren sicher ist. 1996 werden vor dem Palast der Republik wahrscheinlich die letzten Qualifikationspunkte für Atlanta ausgespielt.
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