: Viacom goes Pay-TV
■ Das verschlüsselte MTV ist erst der Vorgeschmack auf ein digitales Pay-Paket, darunter ein Paramount-Spielfilmkanal
Seit dem Wochenende ist MTV auf den Satellitenfrequenzen nur noch verschlüsselt zu sehen. 300 Mark kostet der Decoder („Videocrypt II“), dazu 50 Mark Jahresbeitrag. Doch „das ist nur ein Übergang für die digitale Zukunft“, beschwichtigt MTV-Europa-Präsident Peter Einstein, „im Kabel werden wir ohne Verschlüsselung zu sehen sein.“ Insider verbreiten, daß die Deutsche Telekom 15 Millionen Mark bezahlt, um den verkabelten MTV-Fans den Decoder zu ersparen – und natürlich, um den Kabelanschluß attraktiv zu halten.
Der große Knall soll dann Ende des Jahres mit der Digitalisierung folgen; die Hardware liefert der Elektronikriese Philips. „Eigentlich wollten wir zum 1. Juli bereits unser digitales Paket starten“, sagt Einstein, „doch unser Partner hatte Lieferschwierigkeiten.“ Damit die Kosten für die MTV-Fans dann nicht ins Horrende steigen, soll der Preis für die jetzt nötigen Videocrypt-Decoder beim Umtausch gegen die digitalen Entschlüssler (500 Mark) angerechnet werden.
In diesem Pay-TV-Paket von Viacom für Deutschland sollen dann die Programme MTV, VH-1, Nickelodeon, ein neuer Paramount-Spielfilm-Kanal für Deutschland, der Serien wie „Star Trek“, „Next Generation“ oder „Voyager“ zeigen wird, sowie der amerikanische Wirtschaftskanal Bloomberg exklusiv gegen ein Entgelt zu sehen sein. MTV-Manager Einstein fügt aber sofort hinzu, der Preis werde nicht so hoch sein wie die monatlichen 44,50 Mark für premiere: „Die Preise werden sich wieder normalisieren, wenn endlich Konkurrenz auf den deutschen Markt tritt“, sagte er der taz. Derzeit finden Sondierungsgespräche mit anderen Medienunternehmen statt, die sich dem Viacom-TV-Paket anschließen könnten.
Gegründet wurde Viacom („Video and Audio Communications“) 1971 als kleine Agentur, die Senderechte an TV-Shows von CBS vermarktete. Peu à peu erwarb sich Viacom dann Medienbeteiligungen. Ende 1979 begann der Siegeszug des Viacom-Kinderkanals Nickelodeon. Der Grundstein des Viacom-Erfolges wurde gelegt, als das Unternehmen 1985 den Zweidrittelanteil von Warner Communications am damals defizitären MTV kaufte und dann weltweit seinen Siegeszug antrat. Warners größter Fehler, wie Medienexperten heute meinen.
Im Februar letzten Jahres landete der 72jährige MTV-Chef Sumner Redstone noch einen Coup: die Übernahme des Hollywood-Studios Paramount. Für zehn Milliarden Dollar nennt er jetzt Filme wie den mit dem „Oscar“ prämierten „Forrest Gump“ sein eigen und geht jetzt in die weltweite Medienoffensive. Mit MTV erreicht er bereits mehr als 400 Millionen Menschen weltweit, Tendenz steigend.
Zum Viacom-Firmenkonsortium gehören die Musikvideosender MTV, VH-1, der jetzt auch für Deutschland gestartet wurde, das Kinderfernsehen Nickelodeon, der Verlag Simon & Schuster, Blockbuster, der größte Videoverleih der Welt, sowie zahlreiche TV- Sender und Kabelketten rund um den Globus. Für MTV-Europa- Präsident Peter Einstein ist Viacom eben „die klügste Erfindung, seit es Fernsehen gibt“. Im vergangenen Jahr setzte Viacom 15,9 Milliarden Mark um und ist damit zum zweitgrößten US-amerikanischen Medienkonzern nach Time Warner gewachsen.
Der Grund für diesen rasanten Aufstieg liegt in der Flexibilität des 72jährigen Sumner Redstone. „Der Erfolg unserer Firmen beruht auf Kaufen, Kreieren, Austauschen von Informationen sowie der Entwicklung neuer Inhalte und Techniken“, sagt Konzernchef Redstone. Redstone bewies ein gutes Näschen bei der Umstrukturierung von MTV. Er unterteilte es 1985 aufgrund der altersbedingten Zielgruppenorientierung in MTV für die Jugend und VH-1 („Video Hits-1“) für die 25 bis 49jährigen. 1987, mit dem Start des europäischen MTV in London, setzte er die ersten Schritte außerhalb Amerikas. Am 4. April wurde der deutsche VH-1-Ableger in Hamburg gestartet, und das deutsche Nickelodeon soll zur Funkausstellung in Berlin Ende August auf Sendung gehen – produziert mit dem Verlag Ravensburger als Partner. Mit dem hat Viacom noch mehr Pläne: So sollen Fernsehformate nach dem Muster der Sesamstraße entwickelt werden, die dann synchronisiert und weltweit eingesetzt werden können.
Ob Viacoms digitale Offensive Erfolg haben wird, hängt auch von der Kooperationsbereitschaft anderer TV-Sender in Deutschland ab. „Sollte dieses Paket nicht mehr als 20 Mark kosten und Paramount Filme, die nicht an den Filmhändler Kirch verkauft werden, zeigen, bestehen durchaus Chancen, ein solches digitales Paket zu lancieren“, glaubt sogar RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma. Carsten Heeren
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