■ Cash & Crash
: Bester Berater Zufall

Berlin (taz) – Heute unser bester Insidertip für BörsenspekulantInnen: Kündigen Sie umgehend das Abonnement Ihres Börsenbriefes! Wenn Sie bisher jede oder jede zweite Woche den Aktientrend, Börse-Aktuell, Finanzwoche, Frankfurter Börsenbriefe, Geldbrief oder den Hanseatischen Börsendienst ins Haus bekamen, können sie so nicht nur ihren Altpapierstapel verkleinern, sondern auch Geld sparen. Denn: Die Börsenbriefe erzielen mit ihren brandheißen Tips Ergebnisse, die sogar unter der Wertentwicklung des Deutschen Aktienindex (DAX) liegen. Die Tips sind so mies, daß, zögen die FinanzberaterInnen ihre Tips aus einer Lostrommel, sie nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung mehr Erfolg haben müßten. 60 Prozent aller Tips bescheren den folgsamen AnlegerInnen renditemäßig ein Minus!

Die Ergebnisse stammen von Wolf Brandes, der für den Finanztest der Stiftung Warentest die Kauf- und Verkaufsempfehlungen der sechs genannten Börsenbriefe und der beiden Börsenmagazine Börse Online und Das Wertpapier für die letzten beiden Jahre ausgewertet hat.

Verantwortlich für das schlechte Ergebnis ist die rosarote Brille der Fachbrief- Macher: Kaufen, kaufen, kaufen – die Börsenbriefe raten erheblich mehr zum Kauf als zum Verkauf. Die positive Grundstimmung sei auch von den LeserInnen so gewollt, vermutet Wolf Brandes. „Wollte man all den Tips einer Zeitschrift mit nur einem kleinen Einsatz folgen, so müßte man mehrere tausend Mark zur Verfügung haben.“

Und es gibt einfach zu viele Ratschläge: 1.190 Tips sind im Hanseatischen Börsendienst pro Jahr aufgeführt. Da niemand allen Tips folgen kann, muß der oder die AnlegerIn wieder für sich allein entscheiden, wo investiert werden soll.

Vier bis acht Seiten ist ein Börsenbrief in der Regel stark, dafür zahlt man ungefähr 500 Mark jährlich. „Dieses Geld können Sie durch die Tips nie wieder hereinholen. Am sinnvollsten sind immer noch die Börsenmagazine, die Hintergrundberichte liefern. Sie haben für den Leser wenigstens einen Gewinn an Information, etwa über die Funktionsweise der Börse“, sagt Brandes.

Vielleicht hängen die schlechten Ergebnisse aber auch an der Motivation der Macher, vermutet Brandes. „Wenn jemand tatsächlich wüßte, wie sich die Börse entwickelt, würde er doch seine Erkenntnisse umsetzen und nicht publik machen.“ Ina Rust