„Das Risiko trägt der Student“

Mit der Einführung von verzinstem Bafög versucht Zukunftsminister Rüttgers seinen Bildungsetat zu sanieren / Wie hoch künftige Bafög-Schulden ausfallen, richtet sich nach der Zinslage  ■ Aus Bonn Karin Nink

Wer nicht so gut betucht ist, wird sich künftig einmal mehr überlegen, ob er studiert. Denn geht es nach dem Willen von Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU), müssen schon vom nächsten Jahr an für die Hälfte des Bafögs marktübliche Zinsen gezahlt werden. Zur Zeit sind das acht Prozent.

Dieser Prozentsatz kann sich je nach Marktzinslage aber auch erhöhen, so daß der Schuldenberg, den ein akademischer Berufseinsteiger einmal haben wird, kaum noch zu kalkulieren ist. „Das Risiko einer Hochzinszeit trägt der Student“, stellt Rüttgers denn auch unverblümt fest. Die andere Bafög-Hälfte bleibt ein Zuschuß.

Der Bund soll dem Akademiker außerdem während des Studiums und vier Jahre nach dessen Abschluß die Zinsen zahlen, damit dieser genügend Zeit habe, sich eine Existenz aufzubauen. Danach hat der ehemalige Student zwanzig Jahre Zeit, das verzinste Bankdarlehen zurückzuzahlen.

Rüttgers rechnet, daß dies für einen Fachhochschulstudenten mit einem Schuldenberg von 24.000 Mark 211 Mark im Monat sind, für einen Uni-Abgänger, der mit 34.000 Mark in der Kreide steht, macht es 299 Mark monatlich. Hinzu kommen in den 20 Jahren allerdings rund 38.000 Mark Darlehenszinsen – sofern ein Zinsatz von acht Prozent zugrunde gelegt wird. Diese Summen hält der Zukunftsminister für vertretbar. Schließlich seien die Berufs- und Verdienstaussichten für Akademiker nach wie vor gut. Noch unklar ist, ob es eine Leistungsprämie für besonders schnelle oder gute StudentInnen geben wird.

Mit der auf dem Rücken armer Studenten eingesparten rund einen Milliarde Mark will Rüttgers den Forderungen der Länder nach einem Ausbau der Hochschulen wenigstens zum Teil nachkommen. Außerdem soll damit Forschungsarbeit bezahlt werden. Auch für die von ihm angekündigte Finanzierung des Meister- Bafögs zur Fortbildung von Gesellen und Technikern braucht er noch viel Geld. Per Bafög-Zins möbelt Rüttgers also seinen Bildungsetat ein wenig auf.

Um die Bafög-Umstrukturierung ein wenig zu versüßen, will der Bundesbildungsminister 1996 das Bafög um sechs Prozent erhöhen: „Das sind mit der aktuellen Steigerung dann in einem Jahr zehn Prozent mehr Bafög“, wirbt er, ohne freilich zu erwähnen, daß StudentInnen seit 1992 keine Erhöhung mehr bekommen haben. Mit einer gleichzeitigen Steigerung des Elternfreibetrags um ebenfalls sechs Prozent vergrößere sich der Kreis der Förderberechtigten von 24,5 Prozent auf 30,5 Prozent der 1,9 Millionen Studenten.

Der Bundesbildungsminister hat sein Modell gestern auf einer Sondersitzung der Bonner Koalition vorgestellt und will heute das Kabinett darüber entscheiden lassen. Rüttgers braucht zur Realisierung seiner Pläne die Zustimmung der sozialdemokratisch geführten Bundesländer, die er mit dem zusätzlichen Geld für den Hochschulbau locken will.

Zumindest die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat schon im Juni ein Privatbankmodell mit Zinsen für das Bafög abgelehnt. Parteichef Rudolf Scharping sprach gestern von einem „komplett unsinnigen“ Konzept, dem die SPD nicht zustimmen werde. Er und der bildungspolitische Sprecher der SPD, Peter Glotz, halten eine „prinzipielle Debatte“ um die Bildungsfinanzierung zwar für „längst überfällig“, die „Schnellschüsse“ von Rüttgers aber für „unakzeptabel und unsozial“. Karin Nink