■ Linsen Soufflé
: Die Angst vor der Behäbigkeit

Haben Sie „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ gesehen? Ja, dann kennen Sie auch die Szene, in der Bruce Willis in kleidsamen Boxershorts als Sandwich-Mann in Harlem herumsteht und den Gesamteindruck versaut. Auf seinem Schild, das er auf Anweisung des Bösewichts Jeremy Irons vor dem Bauch spazierenträgt, steht „I hate Niggers“. Die Szene wurde nicht im Studio, sondern im echten Harlem gedreht. Das hätte ein bißchen riskant werden können. Regisseur John McTiernan verriet, wie sie's gemacht haben. Als olle Willis mit dem Transparent durch Harlem ging, war es vollkommen weiß. Die beleidigende Aufschrift wurde erst später und völlig gefahrlos per Computerdigitalisierung eingeblendet. „Wir sind doch keine Selbstmörder“, verteidigte sich McTiernan. Heikel und riskant wurde es auch bei den Dreharbeiten zum neuen James-Bond- Spektakel. Im Film ist die russische Mafia der Gegner von Neu- Bond und Alt-Kelte Pierce Brosnan, im echten Leben wollte sie auch mitverdienen. Es wurden zwar einige Szenen in St. Petersburg gedreht, doch nachdem es konkrete Hinweise gab, daß die schweren Jungs nicht davor zurückschrecken würden, Menschen und Material zu kidnappen, packte man zusammen und drehte in England weiter. Das Risiko, die Stars nach Rußland zu bringen, war man eh nicht eingegangen, aber die teure Ausrüstung (der Schwarzmarkt wartete) wollte man auch nicht aufs Spiel setzen. Außerdem gab es noch Probleme mit den offiziellen Stellen. So war der Bürgermeister von St. Petersburg völlig konsterniert, als plötzlich russische Panzer durch die Innenstadt rollten. Er bezweifelte stark, daß er von einer Drehgenehmigung etwas wußte. Schließlich wurde auch die Panzerverfolgungsjagd, einer der Höhepunkte des Films, in England gedreht – nachdem ein weiteres kleines Problem behoben worden war. Der russische T-52-Tank wirkte nämlich viel zu schwerfällig, um Spannung aufkommen zu lassen, und bei größeren Geschwindigkeiten ging gleich der ganze Straßenbelag flöten. Also wurden kurzerhand die Ketten ab- und Gummireifen angeschraubt. Sieht man natürlich im Film nicht. Jetzt flitzen die Panzer wie Rennautos über die Leinwand – die Angst vor der Behäbigkeit war erfolgreich bekämpft worden. Mit einer ganz anderen Angst haben die Nachfahren von Walt Disney derzeit zu tun: der Angst vor Sex. Weil der Inhalt des Films „Kids“ das locker-flockige Konzernimage ankratzen könnte, haben die Bosse dem Disney-Tochterunternehmen Miramax kurzerhand verboten, den Film zu verleihen. Ein netter, familienfreundlicher Film ist „Kids“, in dem es um Teenager, Drogen, Sex und Aids geht, wirklich nicht, wollte er aber auch nie sein. Es wird zwar erwartet, daß der Film in den USA als nicht jugendfrei eingestuft wird, doch hatte er beim Filmfest in Cannes für eine Menge Wirbel, also kostenlose Werbung, gesorgt, versprach also ein Geschäft zu werden. Was tun? Ganz einfach: Um „Kids“ doch noch auszuschlachten und Disney nicht in Verlegenheit zu bringen, gründete Miramax kurzerhand eine neue Firma. Name des neuen Unternehmens: Excalibur. Karl Wegmann